Öko-Partei träumt mit Robert Habeck von Wahlerfolgen nach baden-württembergischen Vorbild auch im Norden. Die Erwartungen sind groß.

Kiel. Ihre Mission hat für die Grünen gerade erst begonnen. Nach den Erfolgen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz fiebert die Öko-Partei den Landtagswahlen in Bremen, Berlin und Schleswig-Holstein entgegen. "Die Erwartungen bei uns sind enorm", weiß der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kieler Landtag, Robert Habeck, 41. Der promovierte Philosoph gilt als Kopf der Nord-Grünen und könnte im Fall eines Kantersiegs bei der Landtagswahl im Mai 2012 Ministerpräsident in Schleswig-Holstein werden.

"Der Höhenflug der Grünen lässt sich nicht allein mit der Reaktorkatastrophe in Japan erklären", sagt Habeck im Gespräch mit dem Abendblatt. "Es war schon weit vor Fukushima zu beobachten, dass immer mehr Menschen auf die Grünen setzen." Das Erfolgsgeheimnis seien die grünen Konzepte, nicht nur zu Energiefragen, sondern etwa auch in der Bildungspolitik, die langsam mehrheitsfähig würden. "Die Gesellschaft wird grüner."

Die nächste Wahlparty soll am 22. Mai in Bremen steigen, das Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) gemeinsam mit den Grünen regiert. Die Öko-Partei, die 2007 schon satte 16,5 Prozent holte, kann zwar auf Zuwächse hoffen, aber kaum darauf, dass ihre Spitzenkandidatin Karoline Linnert Bremen künftig regiert. Die Hansestadt wählt eher SPD, die 2007 gut 20 Prozentpunkte vor den Grünen lag. Besser sieht es in Berlin aus, das am 18. September wählt. Für die Grünen tritt dort mit Renate Künast ein Bundespromi an. "In der Hauptstadt ist alles möglich", meint Habeck. Auf einen grünen Sieg an der Spree wetten würde der Schriftsteller aber nicht. Die Zahl der Wechselwähler wachse, damit auch die Wahrscheinlichkeit von extremen Umschwüngen. "Das hat in Baden-Württemberg die Grünen belohnt, davor in Hamburg bestraft."

Eine Prognose für Schleswig-Holstein, für die vorgezogene Neuwahl am 6. Mai 2012, wagt der Vater von "vier Jungs" (acht bis 14 Jahre) nicht. Im Land zwischen den Meeren waren die Grünen bei den Landtagswahlen im Herbst 2009 mit 12,4 Prozent hinter CDU, SPD und FDP nur viertstärkste Kraft geworden. Bricht man die aktuellen Bundesumfragen auf den Norden herunter, streiten die Grünen mit der SPD um Platz zwei und legen weiter zu. Die letzten Umfragen aus dem Land stammen aus dem vergangenen September. Eine exakte Einschätzung ist deshalb aktuell schwierig. "Ob das bei 20 Prozent aufhört oder durch die Decke geht, weiß ich nicht", bremst Habeck mit Blick auf seine Parteifreunde. Viele sehen die Förde-Grünen wie schon von 1996 bis 2005 an den Schalthebeln der Macht, einige Habeck sogar schon als Regierungschef. SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig macht gute Miene zum grünen Spiel. Er hat bereits erläutert, dass die Partei mit den meisten Stimmen den Ministerpräsidenten stellt, die Genossen also auch unter einem grünen Chef mitregieren würden.

Ausgeschlossen ist eine solche Stuttgarter Lösung in Kiel nicht. Die SPD holte zuletzt nur 25,4 Prozent und wird erst in den nächsten Monaten zeigen, ob sie dem Spitzenkandidaten Albig folgt oder aber weiterhin ihrem unpopulären Parteichef Ralf Stegner.

Mangelnde Überzeugungskraft: Bremsklotz Bundes-SPD

Habeck, der mit seiner Familie von einem Dorf nahe der dänischen Grenze nach Flensburg gezogen ist, hat in Schleswig-Holstein bereits einige Pflöcke eingeschlagen. Im vergangenen Jahr versuchte der gebürtige Lübecker, die Grünen zur Heimatpartei zu machen, in diesem Jahr mahnte er eine "Landesaußenpolitik" an, an deren Ende ein Nordstaat mit Hamburg stehen könnte. "Die Grünen setzen stärker als andere Parteien auf Inhalte", so Habeck. Gestern stellte er im Landeshaus ein Konzept für den Ausstieg aus der Atomenergie vor.

Über seine politische Zukunft mag Habeck nicht philosophieren. Nur so viel: "Die Grünen verabschieden im November ihr Wahlprogramm und stellen im Januar die Landesliste auf." An der Spitze stehen traditionell eine Frau und ein Mann. Im Landeshaus gilt es als sicher, dass Habeck sich um den Männerplatz bewirbt, die Grünen in den Wahlkampf und möglicherweise in die Staatskanzlei an der Kieler Förde führt.