Umweltministerium droht Konzernen mit Nachrüstungen

Berlin. Bund und Länder haben sich noch nicht darauf geeinigt, nach welchen Vorgaben sie die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke prüfen wollen. Eine Sprecherin von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) betonte am Freitag, dass die Überlegungen für den anstehenden Sicherheitscheck noch nicht abgeschlossen seien. Zuvor hatte das ARD-Magazin "Kontraste" ein Papier aus Röttgens Haus veröffentlicht, in dem hohe Ansprüche an die Sicherheitsanforderungen gestellt werden. Die Liste zeigt aber auch, was in deutschen Kraftwerken offenbar noch nicht standardmäßig an Sicherheitsmaßnahmen vorhanden ist.

Der neue Katalog fordert unter anderem, dass Atomkraftwerke sowohl vor Hochwasser als auch vor Erdbeben geschützt sein müssten. Eine Vielzahl von Nachrüstungsmaßnahmen sollen die Gefahren eines Stromausfalls verringern. Auch Flugzeugabstürze dürfen demnach keine Gefahr mehr darstellen. Notstromdieselaggregate, Rohrleitungen und Notstandssysteme sollen verbunkert werden. All diese Maßnahmen müssten "nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik" erfolgen und "unverzüglich" umgesetzt werden, heißt es in dem Papier. Nach Angaben des Umweltministeriums spielt die Liste "noch keine Rolle für die eigentlichen Sicherheitsüberprüfungen".

"Die Regierung zeigt den Betreibern, wie die Behörden ihnen das Leben schwermachen können", sagte der Staatsrechtler Joachim Wieland. Die Konzerne sollten damit überzeugt werden, auf eine Klage gegen die Abschaltung von Meilern zu verzichten.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) wertete das Papier als Beleg dafür, dass alle Kraftwerke unverzüglich stillgelegt werden müssten. Kein Atommeiler halte den formulierten Sicherheitskriterien stand, sagte BUND-Chef Hubert Weiger. Die Grünen zweifeln die Glaubwürdigkeit des Papiers und auch Röttgens an. So werde in dem Papier unter anderem auch die Anwendung des neuen kerntechnischen Regelwerks gefordert - eines Katalog mit Sicherheitsauflagen für deutsche Kraftwerke. "Das könnte Minister Röttgen im Alleingang sofort machen, tut er aber nicht", kritisierte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn.

Der Bundesrat konnte sich in seiner Sitzung am Freitag auf keine gemeinsame Linie in der Atompolitik verständigen. Die SPD-regierten Länder konnten sich nicht mit der Forderung durchsetzen, zum Beschluss über den Ausstieg aus der Kernkraftnutzung aus dem Jahr 2000 zurückzukehren. Auch ein Antrag der Unions-geführten Länder fand keine Mehrheit, mit dem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für das Verschieben der Laufzeitverlängerung um drei Monate gelobt werden sollte.

Wegen dieses Atommoratoriums der Bundesregierung erwartet der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck milliardenschwere Schadenersatzforderungen der Energieversorger. Die Abschaltung der noch vor wenigen Tagen als sicher erachteten Reaktoren sei schwer begründbar, sagte der SPD-Politiker. Demgegenüber sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), die Bundesregierung habe mit dem dreimonatigen Moratorium richtig gehandelt. Die Atomkraft werde als Brückentechnologie weiter gebraucht

Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte dem Abendblatt, die Atomkraft sei eine nicht ausreichend beherrschbare, gefährliche Technologie. "Jetzt geht es um einen beschleunigten Ausstieg aus dieser Technologie." Ein erster Schritt wäre, wenn die nun vorübergehend stillgelegten alten Meiler dauerhaft nicht mehr ans Netz gehen würden und die Laufzeitverlängerung zurückgenommen werden müsste. "Wenn die Bundesregierung diesen Weg ginge, wäre das eine Grundlage für eine breit getragene Verständigung", fügte Scholz hinzu.