Arid U. war Einzeltäter, hatte aber Kontakt zu einem Hassprediger. Er hat gestanden, die US-Soldaten erschossen zu haben.

Frankfurt/Main. US-Präsident Obama spricht von einem Schock: Ein 21 Jahre alter Mann aus dem Kosovo hat am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen. Hätte seine Waffe keine Ladehemmung gehabt, wären wohl noch mehr Menschen gestorben. Alles deutet darauf hin, dass es die Tat eines radikalisierten islamischen Einzeltäters war.

Laut eines Lageberichts des Landeskriminalamts Hessen, der dem ARD-Magazin „Panorama“ vorliegt, hat Arid U. in einer ersten Vernehmung angegeben, dass er im Internet ein Video mit „schlimmen Bildern“ von amerikanischen Militärs gesehen habe. Das Video zeige, wie US-Soldaten in Afghanistan ein Haus plündern und ein Mädchen vergewaltigen. Nachdem er dieses Video gesehen hatte, habe er „die ganze Nacht nicht schlafen können“. Zudem will Arid U. beobachtet haben, wie US-amerikanische Soldaten sich am Frankfurter Flughafen verächtlich über die Bevölkerung in Afghanistan geäußert hätten. Das Video und dieses Verhalten der Soldaten seien „der Impuls für ihn gewesen, insbesondere nach Afghanistan ausreisende US-Soldaten zu töten“.

Nach eigener Aussage hat Arid U. während des Angriffs auf die US-Soldaten „sechs bis sieben Mal deutlich 'Allah Akbar' gerufen“, Allah ist groß. Die Tatwaffe und 24 Schuss Munition habe er vor ein paar Monaten für 1000 Euro gekauft. Eine der Patronen verklemmte sich - sonst wären wohl noch mehr Menschen umgekommen.

Auf Antrag der Bundesanwaltschaft ist Haftbefehl gegen Arid U. erlassen worden. Er wird wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes in zwei Fällen sowie des versuchten Mordes in drei Fällen und der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen angeklagt, sagte ein Sprecher der Anwaltschaft in Karlsruhe.

Er habe sich möglicherweise innerhalb weniger Wochen im Internet radikalisiert, sagt Innenminister Rhein. Erst vor wenigen Tagen habe er den Kampfnamen „Abu Reyyan“ angenommen und zumindest über das Netzwerk „Facebook“ Kontakt zu dem mutmaßlichen Hassprediger Sheik Abdellatif und zu zahlreichen anderen Islamisten gehabt. Abdellatif wird schon länger von der Polizei beobachtet und predigte zuletzt in einer Frankfurter Moschee. In der vergangenen Woche hatte es eine Razzia gegen die Gruppierung gegeben, bei der es aber keine Festnahmen gab. Hessen prüft weitere Schritte gegen die Gruppe.

Den deutschen Sicherheitsbehörden war Arid U. nicht als potenziell gefährlicher Islamist bekannt. Er soll nach Informationen von CNN sowohl einen deutschen als auch einen jugoslawischen Pass besitzen.

Die Fotos vom Tatort zeigen einen dunkelblauen Bus des US-Militärs, er steht vor dem größten deutschen Flughafen. Planen sollen den Blick in das Fahrzeug vor dem Ausgang 9 von Terminal 2 verhindern. Rot-weißes Tatort-Band flattert im Wind.

Am Mittwoch gegen 15 Uhr hat hier der 21 Jahre alte Mann neun Schüsse aus einer Pistole auf ein gutes Dutzend US-Soldaten abgefeuert und zwei Menschenleben ausgelöscht. Seine Opfer: der Busfahrer, der an seinem Platz am Steuer stirbt, und ein Soldat. Die überraschten Amerikaner hatten laut Innenminister Rhein zwar Waffen in ihrem Gepäck, diese waren nicht aber einsatzbereit.

Zwei weitere Angehörige der US-Armee verletzt der Todesschütze mit Schüssen in Kopf und Brust schwer, bevor er die Flucht ergreift. Wenig später überwältigen Bundespolizisten ihn im Flughafengebäude und nehmen ihn fest. Die Tatwaffe hat der Mann noch bei sich.

Arid U. war seit Januar als Zeitarbeiter im Internationalen Postzentrum am Flughafen beschäftigt, bestätigte ein Postsprecher. Der Vertrag sollte Ende März auslaufen. Laut Innenminister Rhein arbeitete der junge Mann außerhalb des Sicherheitsbereichs. Die Soldaten in dem Bus, Militärpolizisten der Luftwaffe, waren auf dem Weg von ihrem Stützpunkt in England nach Afghanistan oder in den Irak. Der Bus sollte sie von Frankfurt zur US-Airbase Ramstein (Rheinland-Pfalz) bringen.

Der Todesschütze hat nach Erkenntnissen der Polizei Wurzeln in der Stadt Mitrovica im Nordkosovo, lebte aber seit 1991 im Frankfurter Stadtteil Sossenheim bei seinen Eltern. Große Teile seiner Familie seien schon vor vielen Jahren nach Deutschland ausgewandert, heißt es. Ein im Kosovo lebender Onkel des Täters sagt in einem Interview, der 21-Jährige sei ein gläubiger Muslim.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama reagieren tief betroffen auf die Bluttat und sprechen den Angehörigen ihre Anteilnahme aus. Er sei "betrübt und empört über dieses Attentat", sagt Obama im Weißen Haus. Seine Regierung werde keine Mühen scheuen, um herauszufinden, wie und warum sich der Anschlag ereignet habe. Merkel versichert, die Bundesregierung werde alles tun, um die Hintergründe schnell zu klären. Auch die Regierung des Kosovo verurteilt das Blutbad. Sie sei tief berührt über "diese mörderische Tat eines Kosovaren", heißt es in einer Erklärung.

Rettungskräfte, Polizei, Staatsanwaltschaft und US-Militär - sie alle sind schon bald nach den tödlichen Schüssen am Terminal, sie ermitteln - und sie rätseln. Sie befragen die Zeugen, sie vernehmen den 21-Jährigen stundenlang. Anfangs heißt es, der Täter habe erst im Bus seine Waffe gezogen. Später stellt sich heraus, dass er zunächst einen Soldaten vor dem Bus erschoss, danach den Fahrer auf seinem Sitz. Anschließend feuerte er in das Innere des Busses.

Während Polizisten und US-Militärpolizei versuchen, am Tatort Spuren zu sichern, merken die Passagiere am Flughafen von der Bluttat nicht viel. Die Flugzeuge starten, sie landen in Frankfurt wie jeden Tag.

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen und die Frankfurter Polizei wie das Bundeskriminalamt mit der Unterstützung beauftragt. Sie ermittelt wegen des Verdachts des Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen.