Der Protest gegen Stuttgart 21 schwillt wieder an. Nach dem Schlichterspruch war es ruhiger geworden – ist es mit dem Frieden jetzt vorbei?

Stuttgart. Zum ersten Mal seit der Stuttgart-21-Schlichtung haben sich hunderte Gegner des Milliardenprojekts wieder Rangeleien mit der Polizei geliefert. Die Demonstranten stellten sich am frühen Dienstagmorgen vier Spezialfahrzeugen entgegen, mit denen 16 Bäume am Nordausgang des Bahnhofs ausgegraben und umgepflanzt werden sollten. Ein Großaufgebot der Polizei löste mehrfach Sitzblockaden auf und machte den Weg frei.

Trotz der zeitweise aufgeheizten Stimmung gab es nach Polizeiangaben keine ernsthafte Eskalation. Ein Sprecher der Projektgegnergruppe „Parkschützer“ berichtete anfangs zwar, Polizisten hätten Schlagstöcke eingesetzt, korrigierte sich aber später. Die Polizei sprach von 300 bis 500 Demonstranten, der Parkschützer-Sprecher von mehr als 1000. Einige blockierten die Kreuzung, so dass Baufahrzeuge und Autos mehrere Stunden lang nicht durchfahren konnten. Andere besetzten Bäume oder ketteten sich an einen Lastwagen mit Bauzaun-Elementen. Zeitweise drohte ein Bauzaun zu kippen, weil mehrere Gegner daran rüttelten. Immer wieder forderten die Gegner „Die Bäume bleiben hier!“ und – in Richtung des Ministerpräsidenten – „Mappus weg!“.

Die Bäume stehen den Bauarbeiten für ein unterirdisches Technikgebäude des geplanten Tunnelbahnhofs im Weg. Sie sollen in den kommenden Tagen an anderen Standorten in Stuttgart wieder eingepflanzt werden. Nach Angaben der Bahn kostet das Verpflanzen rund 200 000 Euro. Die Gegner lehnen das ab, weil die Bäume eine wichtige Funktion als Abgasfilter an einer vielbefahrenen Kreuzung hätten. Der Schlichter Heiner Geißler hatte sich Ende November für einen Weiterbau des Projekts Stuttgart 21 ausgesprochen, aber deutliche Verbesserungen gefordert. Laut Schlichterspruch muss die Bahn in einem Stresstest beweisen, dass der geplante unterirdische Durchgangsbahnhof deutlich leistungsfähiger ist als der bestehende Kopfbahnhof. Die Gegner gehen davon aus, dass das Ergebnis des Tests das Projekt doch noch zu Fall bringen wird.

Am „schwarzen Donnerstag“ Ende September waren im Schlossgarten weit mehr als 100 Stuttgart-21-Demonstranten und mehrere Dutzend Polizisten verletzt worden. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zeigte sich am Dienstag erleichtert, dass es beim Polizeieinsatz am Morgen keine Verletzten gab. Obwohl der Schlichterspruch von Geißler die Verpflanzung dieser 16 Bäume gar nicht vorsieht, habe man sich trotz der Kosten dafür entschieden. „Wir wollen jetzt nicht provozieren, sondern wir tun alles, um ein Unwohlsein zu minimieren“, sagte Mappus. „Jede weitere Baumaßnahme ist eine Zementierung des baulichen und finanziellen Irrsinns“, kritisierte Gangolf Stocker, Sprecher der Initiative „Leben in Stuttgart“. Wenn Mappus behaupte, die Projektgegner akzeptierten das Ergebnis der Schlichtung nicht, sei das „höchst perfide“.