Eine Woche nach der Suspendierung von Kapitän Norbert Schatz prüft dessen Anwalt eine Klage gegen den Schritt des Verteidigungsministers.

München/Hamburg. Ein Ende der Affäre um die "Gorch Fock" und den ehemaligen Kapitän Norbert Schatz ist nicht abzusehen. Die Suspendierung des Kommandanten hat womöglich ein juristisches Nachspiel, denn Schatz' Anwalt Hans-Joachim Heine sagte dem „Focus“ laut Vorabbericht vom Sonnabend, er prüfe die Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Schritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Der Minister will derweil bald auf den Protestbrief der Schiffsbesatzung antworten.

Der Wilhelmshavener Anwalt Hans-Joachim Heine sagte dem „Focus“, einer Suspendierung vom Dienst müsse „ein rechtliches Gehör des Betroffenen vorausgehen“. Dies sei bei Schatz nicht der Fall gewesen. „Nach allem, was mir bekannt ist, war die Art und Weise der Entlassung grob fürsorgewidrig.“ Er erwäge nun, sich an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu wenden, damit „der erste Wehrsenat die Rechtswidrigkeit dieser Suspendierung feststellt“.

Guttenberg hatte Schatz wegen der jüngsten Vorfälle auf dem Segelschulschiff vorläufig von seinen Aufgaben entbunden. Auf der „Gorch Fock“ war im November eine Soldatin bei einem Sturz aus der Takelage auf das Deck ums Leben gekommen. Der tödliche Unfall sowie der anschließende Umgang damit wird derzeit von einem Untersuchungsteam auf dem im argentinischen Hafen Ushuaia ankernden Schiff untersucht. Die Besatzung der „Gorch Fock“ hatte nach Medienberichten in ihrem Brief dagegen protestiert, Schatz „so abzuservieren, wie es hier der Fall war“.

Allerdings war am Sonnabend war weiter unklar, ob der Brief wirklich von der Schiffsbesatzung verfasst wurde. Guttenberg zeigte laut „Spiegel Online“ am Rande des Weltwirtschaftsgipfel im schweizerischen Davos Verständnis für die teils emotionalen Aussagen der Verfasser des Schreibens. „Ich nehme solche Briefe von Soldaten grundsätzlich sehr ernst und kann die aufgewühlten Gefühle auch nachvollziehen.“ Die Soldaten würden schon bald eine Antwort erhalten.

Im Südwestrundfunk sagte Guttenberg, die Suspendierung von Schatz sei nicht nur zu dessen eigenem, sondern auch zum Schutz der gesamten Besatzung geschehen. Der Kapitän eines Schiffes dieser Größe müsse „den Kopf frei“ haben. Außerdem solle mit der Suspendierung eine sachgerechte Aufklärung der Vorgänge auf dem Dreimaster gewährleistet werden. Sollte sich herausstellen, dass sich der Kapitän nichts habe zuschulden kommen lassen, könne er selbstverständlich seinen Dienst auf dem Schiff wieder aufnehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Suspendierung des „Gorch Fock“-Kommandanten. Damit sei „kein Urteil gesprochen“, sagte sie dem „Hamburger Abendblatt“ vom Sonnabend . Die Abberufung diene auch dem Schutz des Betroffenen, solange die Vorgänge an Bord untersucht würden. Zugleich wandte sich Merkel nach den jüngsten Vorfällen bei der Bundeswehr gegen Pauschalkritik an der Truppe. Es handele sich um „Einzelfälle“, die öffentlich diskutiert und aus denen die nötigen Schlüsse gezogen würden.

Zugleich nahm Merkel Guttenberg gegen Angriffe der Opposition in Schutz. „Sinnlose oder sogar demütigende Rituale“ hätten in der Bundeswehr keinen Platz. Wenn es jetzt Hinweise auf Vorgänge gebe, „dann ist es Aufgabe des Ministers, sie untersuchen zu lassen, und genau das tut er“. Neben den Vorfällen auf der „Gorch Fock“ steht Guttenberg auch wegen des tödlichen Schießunfalls in Afghanistan und wegen geöffneter Feldpostbriefe unter Druck.

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Die Gorch-Fock-Besatzung hat "noch immer feuchte Augen"

Die meisten Männer und Frauen auf dem Foto schauen ernst. Herausfordernd blicken sie in die Kamera. Sie halten ein Transparent mit dem Schriftzug: "Ein Kommandant, eine Besatzung, ein Schiff." Das Bild wurde in diesen Tagen aufgenommen, auf der "Gorch Fock". Die Menschen, die zu sehen sind, bilden die Besatzung des Schiffs. Im Hintergrund sind schneebedeckte Berge Feuerlands zu sehen. "Ushuaia, Januar 2011", steht noch auf dem Transparent. Seit über einer Woche liegt das Ausbildungsschiff in dem südargentinischen Hafen vor Anker.

Vor einer Woche wurde der Kommandant Norbert Schatz von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg abgesetzt. Das Foto von der Besatzung, das über einen Vertrauten der Mannschaft an das Abendblatt gelangte, ist eine Solidaritätserklärung für Schatz. Der Entmachtete posiert ebenfalls für das Foto. Schatz trägt eine Uniform mit Kommandantenstern.

In der Nacht zum Freitag war ein Untersuchungsteam um den Marineamts-Chef Horst-Dieter Kolletschke an Bord gegangen. Es geht um die Vorfälle nach dem Tod der 25 Jahre alten Offiziersanwärterin Sarah Lena Seele, die im November aus der Takelage auf das Deck gestürzt war. Offiziersanwärter, die mit der Verunglückten an Bord waren, hatten berichtet, dass sie nach dem Tod in die Takelage gezwungen worden seien, dass Kommandant Norbert Schatz den Unfall verharmlosend dargestellt hätte und dass die Besatzung kurz nach dem Tod ihrer Kameradin fröhlich Karneval gefeiert hätte.

Dem Abendblatt liegt eine Erklärung der Besatzung vor. Darin beschreiben die Soldaten, wie sie sich fühlen. Und wie ihr Kommandant Schatz von ihnen Abschied genommen hat. "Ich war gerne Ihr Kommandant", soll der 53-Jährige den Angaben der Besatzung zufolge nach seiner Absetzung gesagt haben. Schatz verlasse die "Gorch Fock" "mit der bitteren Gewissheit, wohl nie wieder zur See zu fahren". Mit "Unverständnis, Wut, Fassungslosigkeit" habe die Besatzung auf die Absetzung reagiert. "Viele Besatzungsangehörige bekommen noch immer feuchte Augen."

Die Autoren der Erklärung gehen auch auf die in Deutschland entbrannte Diskussion über das Ausbildungsschiff ein. "Schweigend und hilflos" sehe sich die Besatzung den Vorwürfen ausgesetzt, "ohne sich rechtfertigen zu können". Die Besatzung kündigt an, die Vorwürfe "entkräften" zu wollen: "Denn wir haben nichts zu verbergen." Den Offiziersanwärtern, die Missstände angeprangert hatten, macht die Stammbesatzung schwere Vorwürfe. Die Mannschaft beklagt sich über eine "einseitige Berichterstattung, genährt von einer Handvoll unzufriedener junger Menschen, denen es möglich gemacht wurde, einen derartig großen irreversiblen Schaden anzurichten".

Auch an Verteidigungsminister zu Guttenberg hat die Stammbesatzung einen Brief mit ähnlichem Inhalt geschrieben. "Ich habe den Brief aufmerksam gelesen und kann die aufgewühlten Gefühle nachvollziehen", sagte zu Guttenberg "Spiegel-Online". Der Minister hatte vorher erklärt, er wolle eine Stilllegung des Segelschulschiffs möglichst vermeiden. "Es wäre wunderbar, wenn die ,Gorch Fock' weitersegeln könnte", sagte er. Der Marineinspekteur Axel Schimpf verteidigte im Interview mit der "Welt" die Absetzung des Kommandanten: "Aufgrund der massiven Anfeindungen, denen sich der Kommandant ausgesetzt sah, war es unsere Pflicht, ihn bis zum Abschluss der Ermittlungen von seinen Pflichten zu entbinden", sagte er.

Auf einer Pressekonferenz kündigte der Ermittlungsleiter Kolletschke am Freitag in Ushuaia an, die Ermittlungen in zwei Wochen abzuschließen. "Wir glauben dann, dass wir ein umfassendes Bild haben", sagte der Konteradmiral. Die Besatzungsmitglieder seien betroffen über die Vorwürfe, aber bereit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Niemand verweigere die Auskunft.

Die "Gorch Fock" soll jetzt Vorräte an Bord nehmen und die Rückreise nach Kiel antreten. Am Sonntag soll die Fahrt losgehen, sie kann bis Anfang Mai dauern. Die Reise in die Heimat findet ohne den abgesetzten Kommandanten statt: Norbert Schatz muss von Bord gehen. Er nimmt das Flugzeug für die Heimreise. Ohne seine Besatzung. (Volker ter Haseborg/AFP)