Weiter heftiger Streit um Rücklagen im Gesundheitsfonds

Berlin. Die schwarz-gelbe Regierung hat nach Ansicht der SPD die Bevölkerung über die absehbar bessere Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung bewusst getäuscht. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte im Bundestag, Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und die Union hätten gelogen, indem sie behauptet hätten, die SPD habe ihnen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Milliardendefizit hinterlassen. Die Wahrheit sei, dass Ende dieses Jahres mehr als sechs Milliarden Euro übrig blieben. Drei Milliarden Euro davon stammten aus der Erhöhung der Beiträge und würden wohl dazu genutzt, den Sozialausgleich für die nach oben geöffneten Zusatzbeiträge aufzubauen. "Das war doch von vornherein die Absicht", sagte Lauterbach.

Der SPD-Politiker warf Union und FDP vor, sie wollten die Arbeitgeber und Privatversicherten schonen und die gesetzlich Versicherten mehrfach belasten. So sollten sie nicht nur künftige Kosten alleine tragen, sondern auch den Sozialausgleich selbst finanzieren. "Das ist eine Trickserei, eine Lügerei", sagte Lauterbach. Er kündigte an, das gerade eingeführte System nach der nächsten Bundestagswahl durch die SPD-Variante einer Bürgerversicherung zu ersetzen.

Hintergrund der Debatte ist eine Expertenschätzung, wonach die Rücklagen des Gesundheitsfonds, der die Kassen speist, wegen der besseren Einnahmen bis Ende 2011 auf 6,2 Milliarden Euro ansteigen. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung hatte zuvor mitgeteilt, dass die Einnahmen des Gesundheitsfonds 2010 mit 173,9 Milliarden Euro um etwa 0,3 Milliarden Euro höher ausfielen als im September erwartet. Für 2011 prognostizierten die Schätzer Einnahmen von 181,6 Milliarden Euro und damit 0,5 Milliarden Euro mehr als zuletzt geschätzt. Lauterbach hatte daraufhin gefordert, die Überschüsse in eine Beitragsreduzierung um 0,3 Prozentpunkte zu stecken. Der Beitragssatz war zum 1. Januar von 14,9 auf 15,5 Prozent angehoben worden, um ein angeblich drohendes Defizit von elf Milliarden Euro abzuwenden. Der parlamentarische Gesundheits-Staatssekretär, Daniel Bahr (FDP), wies die Forderungen zurück. Es sei besser, einen Puffer zu haben, als die Kassenfinanzierung auf Kante zu nähen. Erst die jetzige Koalition habe das Milliardendefizit beseitigt. Die Grünen unterstützen die SPD-Forderung nach Senkung der Beiträge nicht. Gesundheitsexpertin Birgitt Bender warnte die SPD vor einer "Verelendungsstrategie". Es sei falsch, den Abzug von Geld zu fordern, damit am Ende die Zusatzbeiträge schneller kämen.

Zuvor war bekannt geworden, dass die gesetzlichen Krankenkassen mit Zusatzbeiträgen im vergangenen Jahr Hunderttausende Versicherte verloren haben. Kassen ohne Beiträge verzeichnen dagegen ein deutliches Mitgliederplus. Bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) sank die Zahl der Versicherten innerhalb von zwölf Monaten um rund 460 000 auf 5,8 Millionen, bei der KKH-Allianz um knapp 190 000 auf 1,86 Millionen. Krankenkassen ohne einen solchen Beitrag gewannen laut Umfrage deutlich an Mitgliedern hinzu. So steigerte die Barmer GEK ihre Versichertenzahl um etwa 100 000 auf 8,6 Millionen, die Techniker Krankenkasse (TK) um 339 000 auf 7,6 Millionen Versicherte.