SPD und Grüne beharren auf Nachbesserungen und schließen eine zwingende Einigung aus. Spitzentreffen soll noch den Durchbruch bringen.

Berlin. Ein Scheitern der Hartz-IV-Verhandlung ist nicht mehr ausgeschlossen. Auch wenn alle Parteien wiederholt Einigungswillen bis zur nächsten Bundesratssitzung am 11. Februar betont hatten, stellt die Opposition aus SPD und Grünen jetzt klar: keine Einigung um jeden Preis.

Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hatte seine Beratungen am Mittwochabend auf den 27. Januar vertagt - ohne nennenswerte Fortschritte. Am kommenden Montag kommt eine Spitzenrunde um Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), SPD-Vizechefin Manuela Schwesig, Grünen-Vizefraktionschef Fritz Kuhn und CSU-Chef Horst Seehofer zusammen. Hier sollen dann maßgebliche Eckpunkte verabredet werden, damit sie am Dienstag den Koalitionsfraktionen vorgelegt werden können. Vor allem aufseiten der Opposition hält man das mitunter für einen ehrgeizigen Plan. "Es kann sein, dass es keine Einigung gibt. Das ist nicht auszuschließen", sagte ein Verhandlungsteilnehmer dem Abendblatt. "Wir liefern ständig Vorschläge, und die Gegenseite sagt immer nur, was alles nicht geht. In allen drei Bereichen stockt es erheblich, vor allem beim Regelsatz." Der Gesetzentwurf von Ursula von der Leyen sieht eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II um fünf Euro vor. Statt wie bislang 359 Euro sollen den rund 4,5 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Beziehern künftig 364 Euro monatlich gezahlt werden.

SPD und Grüne kritisieren vor allem die Berechnung der Regelsätze. Statt wie bislang die einkommensschwächsten 20 Prozent der Bevölkerung als Grundlage zu nehmen, seien die unteren 15 Prozent herangezogen worden. Von der Leyen äußerte Unverständnis über die Kritik von SPD und Grünen. Ihr sei nicht klar, wohin "die Reise" der Opposition an diesem Punkt gehen solle. "Wir haben ganz verfassungsfeste Berechnungen vorgelegt."

Völlig unklar ist die Entwicklung auch bei dem rund 740 Millionen Euro schweren Bildungspaket. Nach dem Willen der Arbeitsministerin soll damit Kindern aus einkommensschwachen Familien die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Konkret heißt das, dass so die Finanzierung von Musikunterricht, Nachhilfestunden oder Mitgliedschaften in Sportvereinen oder etwa ein kostenloses Schulmittagessen sichergestellt werden sollen. Quasi eine Einigung besteht mittlerweile darüber, dass die Kommunen die Mittel aus dem Bildungspaket selbst an die Kinder verteilen sollen. Streit gibt es jedoch vor allem über die Frage, wie viel Handlungsfreiheit eine Kommune schließlich haben soll - also ob sie selbst entscheiden darf, ob sie das Geld lieber in mehr Mittagessen oder mehr Musikstunden investiert. Arbeitsministerin von der Leyen will das Geld stärker durch die Bundesagentur für Arbeit kontrolliert wissen und favorisiert weiterhin ihr Chipkartenmodell, mit dem die Kinder per Gutscheinsystem an die Leistungen kommen sollen.

Weiterer Knackpunkt ist der Ausbau der Jugendsozialarbeit. SPD und Grüne wollen mehr Sozialarbeiter, die sich darum kümmern sollen, dass die Leistungen aus dem Bildungspaket auch bei den Kindern ankommen. "Hier gehen die Positionen im Moment noch ziemlich weit auseinander", erfuhr das Abendblatt aus Oppositionskreisen.

Der Chefunterhändler der Länder im Vermittlungsausschuss, der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP), sagte dem Abendblatt, es hake "noch in allen Bereichen". Trotzdem werde er die Hoffnung nicht aufgeben, dass es noch zu einer Einigung kommt. "Ich bin immer noch Optimist und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die SPD aus parteitaktischen Gründen am Ende ein Vorhaben platzen lassen wird, bei dem es darum geht, den Regelsatz für Hartz-IV-Bezieher zu erhöhen und für deren Kinder bessere Bildungschancen und mehr Teilhabe zu ermöglichen", so Bode.

Differenzen gibt es auch bei der Diskussion um Mindestlöhne, die die SPD zur Bedingung für ihre Zustimmung zur Reform gemacht hat. Einigen konnte man sich bislang nur auf die Zeitarbeitsbranche. Unklar ist jedoch, nach wie vielen Monaten im selben Betrieb ein Leiharbeiter bei Lohn und Arbeitsbedingungen mit Stammbeschäftigten gleich behandelt wird. Während SPD und Grüne eine Frist von etwa vier Wochen im Auge haben, brachte die FDP einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten ins Spiel. Auch hier gab es bislang keiner Annäherung.