Der Ministerpräsident aus Mecklenburg-Vorpommern stellt sich mit seiner Forderung gegen die Parteispitze um SPD-Chef Gabriel.

Berlin. Die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan sorgt sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch in der Opposition zunehmend für Konflikte. Kurz nachdem SPD-Chef Sigmar Gabriel die Zustimmung seiner Partei für das neue Mandat in Aussicht gestellt hatte, protestierte Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) gegen die Empfehlung der Parteispitze. Er halte den Weg der Bundesregierung für völlig falsch, sagte Sellering dem Abendblatt. Die Regierung wolle den Militäreinsatz noch auf Jahre fortsetzen. "Dem sollte die SPD-Fraktion nicht zustimmen, zumal der Beginn des Abzugs zum Jahresende unbestimmt formuliert ist und von Herrn zu Guttenberg bereits öffentlich infrage gestellt wird", appellierte der Regierungschef an die Abgeordneten in Berlin. Sellering machte zugleich deutlich: "Ich bin nach wie vor für den schnellstmöglichen Abzug unserer Soldaten aus Afghanistan."

Zuvor hatte Gabriel gesagt, es deute sich an, dass die Bundesregierung in der Afghanistanpolitik erneut der Linie der SPD folge. "Wenn das der Fall sein sollte, dann wird die SPD erneut der Mandatsverlängerung zustimmen." Dies sei die einstimmige Empfehlung der Parteispitze an die Bundesfraktion.

Der von der schwarz-gelben Koalition erarbeitete Entwurf sieht vor, dass der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan bereits 2011 beginnen und 2014 enden kann, wenn es die Lage erlaubt. Das Datum des Abzugsbeginns war eine zentrale Forderung der Sozialdemokraten für eine Zustimmung. Während die Linke den Einsatz grundsätzlich ablehnt, pochen die Grünen im Bundestag auf einen präzisen Stufenplan. Dass die Partei der Einsatzverlängerung zustimmen wird, ist unwahrscheinlich. "Wir sind sehr skeptisch, ob wir diesem Mandat zustimmen können", sagte Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt dem Abendblatt. "Wir haben dem letzten Mandat im Februar 2010 bereits nicht zugestimmt, weil wir damals eine schleichende Veränderung des Mandats hin zu einer flächendeckenden Aufstandsbekämpfung befürchtet haben. Wir sehen diese Befürchtung inzwischen bestätigt", begründete er die Vorbehalte seiner Fraktion. Er betonte: "Wir haben bisher nicht feststellen können, dass dieser Punkt im Mandat durch die Bundesregierung zurückgenommen wird." Schmidt verdeutlichte, dass die Grünen von der Regierung "eine konkrete Abzugsplanung" erwarten. Ein symbolischer Abzugsbeginn in 2011 reiche nicht aus. Viel entscheidender sei ein konkreter Plan, der einen Abzug der Bundeswehr bis 2014 umsetze. "Da lässt die Bundesregierung bisher alles offen", kritisierte Schmidt.

Das Bundeskabinett will heute die Verlängerung des Mandats für den Einsatz verabschieden. Am 28. Januar soll der Bundestag über die Verlängerung abstimmen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte sich bereits Mitte Dezember in einer Regierungserklärung darauf festgelegt, Ende 2011 das Bundeswehrkontingent in Afghanistan erstmals reduzieren zu können. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) indes will trotz des Mandatstextes weiterhin kein Datum nennen. Er betonte, in dem Mandat sei bereits enthalten, dass der Abzug an Bedingungen geknüpft sei. In dem Mandatstext werde "eine gewisse Zuversicht" mit Blick auf den Abzugsbeginn zum Ausdruck gebracht. Es gelte aber, dass "es die Lage erlauben muss".

Klar positioniert - und zwar gegen einen in diesem Jahr beginnenden Abzug - hat sich der Bundeswehrverband, die Interessenvertretung der Bundeswehrangehörigen. Nach Ansicht des Bundeswehrsverbands-Vorsitzenden Ulrich Kirsch kommen sämtliche Abzugsszenarien verfrüht. Die politische Festlegung eines Zeitpunkts helfe den Soldaten überhaupt nicht., kritisierte er. "Unsere Truppen in Afghanistan schütteln nur den Kopf darüber und sagen: So weit sind wir noch gar nicht." Er sagte weiter: "Wir müssen uns fragen, ob wir bereits unsere Ziele erreicht haben, um an einen Abzug zu denken." Kirsch forderte, der deutschen Öffentlichkeit "kein X für ein U" vorzumachen. "Die Truppenreduzierung sollte erst beginnen, wenn gleichzeitig die Übergabe der Verantwortung an afghanische Sicherheitskräfte stattfinden kann. Alles andere ist nicht seriös."

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 engagiert sich die Bundeswehr in Afghanistan. Beschlossen wurde der Einsatz von der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Derzeit sind 4570 deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert.