Grünen-Chef Cem Özdemir kritisiert die Haltung der Sozialdemokraten auf zentralen politischen Feldern. Schwarz-Grün bleibe weiter möglich.

Hamburg. Cem Özdemir ist in einer schwierigen Situation. Der Bundesvorsitzende der Grünen gilt selbst als Sympathisant schwarz-grüner Koalitionen. Doch nun, nach dem Zerbrechen von Schwarz-Grün in Hamburg, muss er seinen Wählern erklären, warum die GAL künftig in einer Koalition mit den Sozialdemokraten besser aufgehoben wäre. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt macht Özdemir deutlich: Die Grünen schätzen zwar den SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz, tun sich aber schwer mit der SPD-Forderung nach Elbvertiefung oder der Ablehnung einer Stadtbahn. Özdemir erwartet harte Auseinandersetzungen mit seinem Wunschpartner.

Hamburger Abendblatt: Herr Özdemir, bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg könnte es für die SPD zu einer absoluten Mehrheit reichen. Fürchten Sie den Gang in die Opposition ?

Cem Özdemir: Da wäre es dann bald wieder vorbei mit Hamburg als Europäischer Umwelthauptstadt. Gerade bei diesem Thema macht den entscheidenden Unterschied immer noch Grün. Die Sozialdemokraten haben in der Frage der Elbvertiefung eine andere Position als wir, sie wollen die Stadtbahn nicht, für die wir kämpfen, und auch innenpolitisch vertritt die SPD in der Flüchtlingspolitik eine andere Linie. Ich will's mal so sagen: Wir mögen die SPD so sehr, dass wir sie ungern alleine Politik machen lassen. Aber immerhin hat Olaf Scholz es geschafft, die Hamburger SPD zu einen. Selbst in Berlin genoss die SPD in der Hansestadt den Ruf, ein ganz besonderes Haifischbecken zu sein.

Welche Vorteile hätte Rot-Grün denn für Hamburg?

Özdemir: Es würde eine stabile Regierung mit sich bringen, die einen klaren Kurs hat. Das Land Hamburg ist zu wichtig, als dass man eine Regierung haben könnte, die nicht mal eine Legislaturperiode durchsteht, weil sich die CDU in Auflösung befindet. Sollte es zu einer rot-grünen Mehrheit kommen, kennen sich die Spitzen der beiden Parteien und vertrauen sich. Wir schätzen Olaf Scholz, auch wenn er kein Grüner ist. Mit Rot-Grün gäbe es endlich die Chance auf eine ökologische Modernisierung und auf das, wofür Hamburg steht, nämlich eine liberale Innenpolitik. Das ist die Gelegenheit für Hamburg, auf Bundesebene wieder eine stärkere Rolle zu spielen.

Welche Lehren ziehen Sie aus dem Scheitern von Schwarz-Grün?

Özdemir: Im Gegensatz zu Herrn Ahlhaus machen wir nicht alles schlecht, was in den letzten Jahren war. Wir waren aus Überzeugung in dieser Koalition. Wir haben gemeinsam gekämpft und gemeinsam in einigen Punkten wie dem längeren gemeinsamen Lernen verloren. Die CDU ist aber durch Ole von Beust in Höhen getrieben worden, die für Hamburg ungewöhnlich sind. Durch seine Person hat er auch andere, progressivere Wählermilieus an die CDU gezogen. Das hat sich verändert durch seinen Nachfolger, der sich lieber wieder traditionell positioniert.

Da spricht der Befürworter schwarz-grüner Bündnisse.

Özdemir: Ich bin vor allem Befürworter meiner eigenen Partei. Ich habe das Hamburger Modell genauso verteidigt wie die Jamaika-Koalition im Saarland. Für uns ist klar: Es muss in den politischen Inhalten eine deutliche grüne Handschrift zu erkennen sein. Als Realpolitiker sage ich aber auch: Durch den Atomkurs der CDU und den europaskeptischen Kurs von Frau Merkel ist die Wahrscheinlichkeit für Schwarz-Grün gesunken.

War das Zerbrechen der Regierungskoalition in Hamburg das Fanal für alle schwarz-grünen Bündnisse?

Özdemir: Dann wäre auch jedes Ende einer rot-grünen Koalition ein Fanal, das ist es aber nicht. Dennoch ist der realistischste Partner in Hamburg jetzt die SPD, aber ich vermag nicht zu sagen, was in einigen Jahren sein wird.