Der Bundestag ringt um Untersuchung von Embryonen. Protestanten begrüßen Gesetzentwurf - die katholische Kirche reagiert mit deutlicher Kritik.

Hamburg. Die katholische Kirche hat mit deutlicher Kritik auf den ersten Gesetzentwurf zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) reagiert. Der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, nannte die rechtlichen und ethischen Voraussetzungen des Entwurfs "nicht tragfähig". Dem Embryo außerhalb des Mutterleibes werde "jedweder Grundrechtsschutz abgesprochen", sagte er gestern in Berlin. Das Konzept lasse befürchten, "dass eine grenzenlose Anwendung der Präimplantationsdiagnostik Realität wird".

Zuvor hatten gestern Abgeordnete der Regierungs- und Oppositionsfraktionen im Bundestag einen Gesetzentwurf zur begrenzten Zulassung der umstrittenen PID vorgestellt. Dieser schaffe Rechtssicherheit für betroffene Paare und Ärzte, sagte die FDP-Politikerin Ulrike Flach, die den Entwurf gemeinsam mit den Abgeordneten Peter Hintze (CDU), Carola Reimann (SPD), Jerzy Montag (Grüne) und Petra Sitte (Linke) in Berlin erläuterte. Demnach soll die Untersuchungsmethode grundsätzlich verboten, in Ausnahmefällen aber erlaubt sein.

Bischof Gerhard Ulrich, Vorsitzender der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche, begrüßte die Diskussion und sprach sich für eine zurückhaltende Nutzung der Präimplantationsdiagnostik aus. Dem Hamburger Abendblatt sagte er: "Im Einzelfall muss medizinisch und ethisch genau abgewogen werden, ob es gut und richtig ist, die PID zu nutzen." Es sei entscheidend, dass in der Diskussion das Ringen um das richtige Erfassen der Menschenwürde im Mittelpunkt stehe und nicht die Selektion von medizinischen Eigenschaften.

Peter Hintze zufolge sehe der Vorschlag klare Regelungen vor. Für zwei Sachverhalte solle es die Möglichkeit dieser Untersuchung geben: die eine sei, dass Eltern um eine schwere erbliche Vorbelastung wüssten, und die zweite, dass eine Tot- oder Fehlgeburt drohe. "In beiden Fällen halten wir es für die humane Alternative etwa zur Pränataldiagnostik, wo die Untersuchung erst im Mutterleib stattfindet", betonte Hintze. Die Grünen-Politikerin Priska Hinz will dagegen mit Rene Röspel (SPD) einen eigenen Entwurf für eine striktere Zulassung von PID vorlegen; ihr geht der Ansatz Hintzes zu weit.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) bekräftigte seine Forderung nach einem Verbot der Präimplantationsdiagnostik. "Die PID öffnet die Tür für die Versuchung zur Selektion und Manipulation von Leben", sagte er der "Berliner Zeitung". Bereits auf dem CDU-Parteitag im November hatte sich eine knappe Mehrheit in der Partei für ein Verbot ausgesprochen. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wandte sich am Montag dagegen, Embryonen wegen des Verdachts auf Erbkrankheiten schon im Labor auszusortieren. Der ARD sagte sie, es sei eine Illusion, eine leidfreie Gesellschaft erreichen zu wollen.

Darum geht es bei der PID:

Mithilfe der PID können im Reagenzglas gezeugte Embryonen - meist zwischen zwei und drei Tagen nach der Befruchtung - vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht werden. Die Durchführung einer PID setzt eine künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) voraus. Experten rechnen mit etwa 200 Fällen im Jahr.

Das ist die Rechtslage:

Im Gegensatz zu zahlreichen EU-Staaten galt die PID in Deutschland bis zum Sommer 2010 nach gängiger Rechtsinterpretation als verboten. Anfang Juli entschied jedoch der Bundesgerichtshof, dass Gentests an Embryonen nicht dem Embryonenschutzgesetz widersprechen und damit zulässig sind. Allerdings stammt das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1991, als PID in Deutschland noch nicht verfügbar war. Ohne Neuregelung könnte die PID also derzeit durchgeführt werden - allerdings in einer rechtlichen Grauzone.

Internationale Erfahrungen:

PID wird in Norwegen, Dänemark, Belgien, Großbritannien und Frankreich nach strengen staatlichen Auflagen angewandt. In Italien ist die Diagnostik-Methode inzwischen generell verboten. Sehr freizügig wird sie in den USA gehandhabt. Nach einer Länderstudie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2004 wird sie dort auch zu nicht medizinischen Zwecken wie der Wahl des Geschlechts des auszutragenden Embryos genutzt.

Was sagen Mediziner zur PID?

Andreas Gal, Direktor des Instituts für Humangenetik am Hamburger UKE, befürwortet PID, "wenn in der Familie zum Beispiel eine bekannte Veränderung der Erbanlagen vorliegt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer schwereren, nicht behandelbaren genetisch bedingten Krankheit führen kann". Bei der PID werde der Embryo nur auf diese Krankheit untersucht.

Eltern, die sich gegen eine PID entscheiden, dürfe aber kein Druck gemacht werden. Anders als die PID könnten die bisherigen Untersuchungen erst im Mutterleib vorgenommen werden und führten in ein bis zwei Prozent der Fälle zu einer Fehl- oder Frühgeburt.