Die Deutschen sind im PISA-Vergleich besser geworden. Aber Kinder aus sozial schwachen Familien bleiben im Nachteil

Berlin. Seit zehn Jahren lautet die Marschroute an deutschen Schulen: Aufholen. Zu tief sitzt der Schock über die erste PISA-Studie, die im Jahr 2000 an den Schulen durchgeführt wurde. Die Leistungen der deutschen Schüler lagen damals in allen abgefragten Testbereichen deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Etwa 20 Prozent der 15-Jährigen konnten nur auf Grundschulniveau lesen und rechnen. In der neuen PISA-Studie ist der Tenor ein anderer: Die Schüler haben sich verbessert. Aber sie kommen im internationalen Vergleich über ein Mittelmaß nicht hinaus. Auch die vierte PISA-Studie offenbart die Schwächen im deutschen Bildungswesen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:

Lesekompetenz: Die Lesefähigkeiten der 15-Jährigen haben sich spürbar verbessert. Im Vergleich zur ersten Untersuchung von 2000 hat Deutschland von 484 auf 497 Punkte zugelegt. Deutschland liegt dennoch weiter im OECD-Durchschnitt. Vor allem beim "Reflektieren und Bewerten" haben die deutschen Schüler auffällige Probleme und ziehen so das Ergebnis nach unten. Den Forschern fiel auch auf: Insbesondere Jugendliche aus Zuwandererfamilien konnten ihre Lesefähigkeiten steigern. Unter den OECD-Ländern führen Südkorea (539 Punkte) und Finnland (536 Punkte) das Ranking an. Klar übertroffen werden sie aber von einem Nicht-OECD-Teilnehmer, der chinesischen Region Shanghai (556 Punkte). So wurde die Lesekompetenz getestet: Die Schüler bekamen einen Artikel einer norwegischen Zeitschrift zum Lesen, in dem es ums Zähneputzen geht. "Werden unsere Zähne immer sauberer, je länger und stärker wir sie putzen? Britische Forscherinnen und Forscher sagen Nein", heißt es da. Die PISA-Macher fragten nach dem Vorlesen, wovon der Text handelt, und gaben vier ähnliche Antworten zur Auswahl. Die höchstmögliche Punktzahl gab es für die Antwort, der Text behandele die beste Art des Zähneputzens. Auch mussten die Schüler auf eine vertiefende Frage ohne Vorgabe von Antworten reagieren.

Naturwissenschaften: Wenn auch weniger umfangreich als beim Lesen, wurden auch hier neue Ergebnisse eingeholt. In den Naturwissenschaften haben die deutschen Schüler seit 2006 keine statistisch signifikanten Fortschritte gemacht. Deutschland liegt in diesem Bereich mit 520 PISA-Punkten aber wie zuvor oberhalb des OECD-Durchschnitts. Vor Deutschland rangieren acht andere OECD-Staaten: Finnland, Japan, Südkorea, Neuseeland, Kanada, Estland, Australien und die Niederlande. An der Spitze liegt aber auch hier Shanghai mit 575 Punkten.

Mathematik: Die deutschen Schüler sind hier noch einmal besser geworden. Mit 513 Punkten haben sie sich oberhalb des OECD-Durchschnitts platziert. Neun andere Mitgliedstaaten sind den Deutschen voraus: Südkorea, Finnland, die Schweiz, Japan, Kanada, die Niederlande, Neuseeland, Belgien und Australien. Die ersten Plätze nehmen jedoch drei Nicht-OECD-Teilnehmer ein, und wieder haben asiatische Schüler am besten abgeschnitten: in Shanghai, Singapur und Hongkong.

Zuwanderer: Migrantenkinder schneiden bei den Leistungstests im Schnitt um 56 Punkte schlechter ab als Kinder deutscher Herkunft. Das entspricht einem Verzug von deutlich mehr als einem Schuljahr. 2000 hatte der Abstand noch bei 84 Punkten gelegen. Beim Leistungsrückstand haben die Kinder von Zuwanderern demnach aufgeholt. Der Abstand ist jedoch noch signifikant, zumal aus den Daten hervorgeht, dass fast 26 Prozent der 15-jährigen Schüler aus zugewanderten Familien stammen.

Soziale Herkunft: Das erschreckendste Ergebnis der PISA-Studie 2000 spiegelte bereits das Grundproblem im deutschen Schulwesen wider: In kaum einem anderen Land hing die Leistung der Schüler so stark von ihrer sozialen Herkunft ab wie hier. Die schlechte Nachricht der neuen Studie: Der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg besteht weiterhin. Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien haben in der Schule noch immer schlechtere Chancen als ihre Mitschüler aus bessergestellten Familien. Verschärft wird das Problem noch, je nachdem auf welche Schule ein Kind geht. Im Extremfall beträgt der Leistungsabstand von zwei Jugendlichen mit ähnlichem familiären Hintergrund in Deutschland mehr als zwei Schuljahre, je nachdem, ob sie auf eine Schule mit einem sozial günstigen oder ungünstigen Umfeld gehen. In keinem anderen OECD-Land hat dieser Faktor einen derart starken Einfluss.

Geschlechter: Die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen sind nach wie vor groß. In anderen Ländern ist dies aber nicht anders. Beim Lesen sind die Mädchen den Jungen im Schnitt ein Schuljahr voraus - oder auch 40 PISA-Punkte. In der Mathematik schneiden die Jungen etwas besser ab als die Mädchen. In den Naturwissenschaften gibt es nur geringe Leistungsunterschiede.

Geld: Der Wohlstand eines Landes spielt für die Schulleistungen nur eine untergeordnete Rolle. Auch vergleichsweise weniger entwickelte Länder liefern auffallend gute Leistungen. Die Schüler in den chinesischen Regionen Shanghai und Hongkong etwa liegen durchgehend in der Spitzengruppe, Shanghai rangiert mit beträchtlichem Abstand sogar nahezu außer Konkurrenz. Auch Südkorea schlägt viele andere OECD-Mitglieder - trotz eines Nationaleinkommens unter dem OECD-Schnitt. Die Studie liefert auch Ergebnisse, die nicht überraschen: Schlusslicht der OECD-Länder ist in allen Tests Mexiko. Unter den übrigen Ländern belegt Kirgistan den letzten Platz.