Guttenberg soll Westerwelle beim US-Botschafter angeschwärzt haben. Unruhe in der FDP wegen “Maulwurf“ in Koalitionsverhandlungen

Berlin. Der Außenminister will sich die gute Laune partout nicht verderben lassen. Immer wieder wird er in der FDP-Zentrale nach den Depeschen der US-Botschaft gefragt, in denen er als aggressiv, inkompetent, eitel und als überschäumende Persönlichkeit beschrieben wird. Guido Westerwelle wahrt die Contenance. Er lächelt, spricht von "Klatsch- und Tratschgeschichten", die "nicht wichtig" seien.

Es ist Tag eins nach den Enthüllungen der Internetplattform WikiLeaks. Und im politischen Berlin richten sich die Blicke vor allem auf den FDP-Vorsitzenden. Kein anderer deutscher Politiker ist in den vertraulichen Berichten des amerikanischen Außenministeriums derart schlecht weggekommen. Dass Washington glaubt, Westerwelle habe "sehr wenig eigene Ideen zur Lösung internationaler Probleme", will der Außenminister nicht bewerten.

Dabei droht an ganz anderer Stelle Ungemach. Manche der an Washington gesandten Protokolle könnten den Koalitionsfrieden gefährden. So soll Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei einem Gespräch mit US-Botschafter Philip Murphy Westerwelle angeschwärzt haben. Guttenberg beklagte danach gegenüber Murphy, dass Deutschland mit zusätzlichen 850 Soldaten zu wenige Streitkräfte nach Afghanistan schicke.

Ein größeres Engagement sei an Westerwelle gescheitert, so Guttenberg. Der Anfangsstandpunkt des FDP-Chefs in den Koalitionsverhandlungen sei gewesen: "Kein einziger zusätzlicher Soldat." Es sei somit schwer gewesen, überhaupt eine Vereinbarung über eine Aufstockung zu bekommen, soll Guttenberg geklagt haben. Ihn lobt die Botschaft überschwänglich als Transatlantiker und außenpolitischen Experten. War Gutenberg vielleicht zu offenherzig? Zumindest wird er als enger Freund der USA beschrieben, der ein größeres deutsches Engagement in Afghanistan vorantreiben und dem Kabinett "etwas Glanz" verleihen könnte. Die Aussagen über den CSU-Politiker lesen sich wie die amerikanische Beschreibung eines deutschen Wunsch-Außenministers. Klatsch und Tratsch, so wie Westerwelle die Dinge sieht, sind solche Berichte nicht. Wenn die Rivalität der beiden Minister bisher nur erahnbar war, so bieten die US-Dokumente einen klareren Einblick in das schwierige Verhältnis zwischen dem fließend Englisch sprechenden Baron und dem in Umfragen wenig beliebten FDP-Chef. Doch Westerwelle will davon nichts wissen. Er lobt Guttenbergs Arbeit "ausdrücklich". Und er betont: "Es wird nicht Zwietracht säen." Ein Satz, den man auch als Appell an die Koalition verstehen darf. Dennoch: Auf den Fluren der FDP-Fraktion ist zu hören, dass alte Wunden wieder aufreißen könnten. "Unschön" und "ärgerlich" nennt man hier die Äußerungen über Westerwelle. Die Sache werde aber dem Verteidigungsminister eher schaden als dem Außenminister, ist ein Koalitionär überzeugt. Offen will es niemand aussprechen: Zu einer Verbesserung des Klimas in der Koalition haben die Botschaftsberichte nicht beigetragen.

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, gibt zu, dass er nicht begeistert ist: "Politisch haben die Einschätzungen über deutsche Politiker keine Relevanz. Meine Aufregung hält sich darüber sehr in Grenzen. Wenn es aber stimmt, dass Spitzenpolitiker bei der US-Botschaft übereinander gelästert haben, ist das nicht sonderlich klug", so Stinner im Abendblatt. "Blamiert" sieht der Außenpolitiker aber allein die USA. Stinner hat öfter Termine in der US-Botschaft und ist verunsichert. "Die Arbeit in der Außenpolitik wird natürlich in Zukunft erschwert. Wir haben jede Menge vertraulicher Gespräche mit allen Botschaften in Berlin. Ich muss mir überlegen, wie offen ich in Zukunft über Entwicklungen und persönliche Einschätzungen spreche." Bald hat er wieder einen Termin in der US-Botschaft. "Ich weiß noch nicht, wie ich das Gespräch angehen werde. Im Hinterkopf hat man natürlich, dass manches Gesagte nicht vertraulich bleiben könnte."

Für Nervosität im Regierungslager sorgt auch die Darstellung der US-Botschaft, dass ein Informant der FDP Interna aus den Koalitionsverhandlungen vom Herbst 2009 an die USA weitergegeben hat. Als Quelle gab der Botschafter einen "jungen, aufstrebenden Parteigänger" an. Der FDP-Chef glaubt "diese Geschichte" nicht, wie er sagt. Er habe Vertrauen in die gesamte Mitarbeiterschaft der FDP. Andere sind vorsichtiger. Eine kleine Personenzahl komme als Spione in Frage, heißt es. In den US-Unterlagen wird der FDP-Mann nur "Protokollant" genannt. Ein Abgeordneter sagt: Natürlich werde man dem nachgehen.