WikiLeaks hat trotz unbestreitbarer Verdienste ein Imageproblem

Hamburg. An WikiLeaks kommen die Medien nicht mehr vorbei: Ob es um Geheimpapiere zum Irak- oder Afghanistan-Krieg oder wie nun um geheime Beurteilungen ausländischer Politiker durch das US-Außenministerium geht. Stets werden diese Dokumente nicht Redaktionen, sondern der Internet-Plattform zugespielt. Erst via WikiLeaks erreichen die Papiere international renommierte Blätter wie "Spiegel", "Guardian", "New York Times" oder "El Pais".

Warum das so ist, lässt sich nur schwer erklären. Die Vermutung liegt nahe, dass insbesondere in den USA das Renommee der Medien enorm gelitten hat, nachdem fast alle von ihnen nahezu bedingungslos den von George W. Bush angezettelten Irak-Krieg unterstützten. Etablierte Blätter und Sender gelten dort nur noch bedingt als vertrauenswürdig. Aber gibt es Gründe, gerade WikiLeaks einen besonderen Vertrauensvorschuss zu gewähren?

Die Online-Plattform wurde nach eigener Darstellung 2006 von chinesischen Dissidenten sowie von Journalisten, Mathematikern und Technikern aus den USA, Taiwan, Europa, Australien und Südafrika gegründet. Von ihren Betreibern ist nur der australische Programmierer und Autor Julian Assange namentlich bekannt. Er ist offenbar der Kopf von WikiLeaks. Jedenfalls begründete der deutsche Sprecher der Plattform, Daniel Domscheit-Berg, bis dahin der zweite öffentlich in Erscheinung tretende WikiLeaks-Mann, im September seinen Rückzug mit Assanges autokratischem Führungsstil.

An der gänzlich intransparenten Struktur von WikiLeaks, aber auch an Assange, der in Schweden wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung mit Haftbefehl gesucht wird, macht sich die Kritik an der Plattform fest. Als problematisch gelten auch handwerkliche Schwächen im Umgang mit brisantem Material. So kritisierte Reporter ohne Grenzen, dass WikiLeaks bei der Veröffentlichung von Geheimpapieren über den Afghanistan-Krieg die Namen von vermeintlichen oder tatsächlichen Kollaborateuren der US-Armee nicht geschwärzt hatte. Sie seien nun Freiwild der Taliban.

Doch bei aller Kritik ist WikiLeaks bisher dem eigenen Anspruch, "denen zur Seite zu stehen, die unethisches Verhalten in ihren eigenen Regierungen und Unternehmen enthüllen wollen", im Großen und Ganzen gerecht geworden. Die Veröffentlichung der US-Depeschen entspricht diesem hehren Anspruch aber nur bedingt. Sie passt eher zur Philosophie von Assange, der behauptet, es gäbe überhaupt keinen Grund, ein geheimes Dokument nicht zu veröffentlichen. In einem Interview mit dem Abendblatt sagte der Gründer des Online-Lexikons Wikipedia, Jimmy Wales, im September, ihm komme diese Sicht der Dinge "vor wie der naive Standpunkt eines 13-Jährigen".