GdP-Chef Konrad Freiberg bemängelt Defizite bei der Abwehr von Terroranschlägen

Berlin. Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, spricht von einer ernsten Situation. Im Abendblatt-Interview gibt er Hinweise, wie sich die Bevölkerung jetzt verhalten sollte.

Hamburger Abendblatt:

Herr Freiberg, wie gefährlich ist die Situation in Deutschland im Moment?

Konrad Freiberg:

Die Lage ist ernst. Wir müssen konkret mit Anschlägen rechnen. Deshalb müssen wir jetzt auch alles Menschenmögliche tun, um die Bevölkerung vor der Gefahr zu schützen.

Und wenn es doch zu einem Anschlag kommt: Wie ist Deutschland auf eine solche Situation eingestellt?

Freiberg:

Unzureichend. Hier wurden in der Entwicklung einige Schritte verpasst und es gibt Sicherheitsdefizite, auf die wir bereits hingewiesen haben. Die Bevölkerung ist nicht ausreichend auf die Folgen eines Anschlags vorbereitet. Wenn ein Anschlag passiert ist, gilt es schließlich auch, damit fertigzuwerden und die Situation aufzuarbeiten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat zum ersten Mal eine konkrete Warnung vor Anschlägen ausgesprochen. Sonst allerdings ist er aber eher zurückhaltend. Wie bewerten Sie seine Informationspolitik?

Freiberg:

Wir haben schon seit Längerem kritisiert, dass de Maizière eine Zurückhaltung an den Tag legt, die der Lage nicht angepasst ist. Es gibt schon länger verschiedene Hinweise von mehreren Seiten, dass sich Menschen bei uns aufhalten, die Anschläge planen. Deshalb ist ausdrücklich zu begrüßen, dass der Innenminister jetzt nach vorn geht und die Öffentlichkeit auf die Situation hinweist und um Unterstützung bittet.

An Bahnhöfen und Flughäfen wird die Polizeipräsenz verstärkt. Was muss getan werden, um Deutschland vor einem Anschlag zu schützen?

Freiberg:

Das eine ist die verstärkte Präsenz an den gefährdeten Orten, also an Flughäfen, im öffentlichen Personennahverkehr, bei der Bahn und in den Städten, wo sich viele Menschen aufhalten. Noch wichtiger ist es aber, jetzt die Ermittlungen aufzunehmen. Bei den sogenannten Gefährdern, bei denen es Erkenntnisse über eine Anschlagsplanung gibt, und bei solchen, die eine Terror- oder Sprengstoffausbildung absolviert haben und jetzt wieder in Deutschland sind. Von denen geht die Gefahr aus.

Worauf müssen die Bürger in dieser Situation achten? Sollen sie jetzt besser aufs Bahnfahren oder Fliegen verzichten oder sogar den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt meiden?

Freiberg:

Es ist sicherlich kein Anlass, um in Panik zu verfallen. Aber es gibt konkrete Gefahren, denen man Rechnung tragen muss. Erstens bitten wir alle Bürger um Verständnis für die Polizei. Zweitens bitten wir, verdächtige Koffer, Gegenstände oder Personen an die Polizei zu melden. Wir hoffen dadurch auf eine Verunsicherung bei den Tätern, vor allem aber hoffen wir, mit diesen Maßnahmen einen Anschlag verhindern zu können.

Bei der Innenministerkonferenz wird es auch um Terrorabwehr gehen. Der niedersächsische Minister Uwe Schünemann (CDU) will einen Anti-Terror-Plan präsentieren. Ein Punkt ist, die Polizeipräsenz in islamisch geprägten Vierteln zu verstärken. Was halten Sie davon?

Freiberg:

Wir sollten von plakativen Vorschlägen absehen. Das ist nicht die richtige Maßnahme, die uns vor Anschlägen schützen kann. Wir müssen uns langfristig mit der Gefahr beschäftigen und mit einem ganzen Katalog von Maßnahmen vorgehen. Eine richtige Umsetzung dauert Jahre.