Der Integrationsgipfel soll verbindliche Ziele feststecken. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) stellt neues Gesetz vor.

Berlin. Die Teilnehmerliste ist lang und spart nicht mit prominenten Namen. Angela Merkel höchstpersönlich hat heute zum vierten Integrationsgipfel ins Kanzleramt geladen. Rund 115 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wollen kommen, darunter auch Innenminister Thomas de Maizière, Bildungsministerin Annette Schavan, Arbeitministerin Ursula von der Leyen (alle CDU) und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Man will sich sehen lassen auf einem Treffen, bei dem eines der meistdiskutierten Themen der letzten Wochen und Monate besprochen werden soll: Integration.

Dabei geht es um Politik für 16 Millionen Menschen. Hierzulande kommt fast jeder Fünfte aus einer Zuwandererfamilie oder ist selbst in die Bundesrepublik eingewandert. Heute nun soll gemeinsam beraten werden, wie man mit den dadurch entstehenden Herausforderungen am besten umgeht - und zwar auf den Feldern Sprache, Bildung, Wirtschaft und Arbeitsmarkt. "Ich wünsche mir vom Integrationsgipfel das Signal, dass Deutschland ein weltoffenes Land ist - und attraktiv für Talente aus aller Welt", sagte Schavan dem Abendblatt.

Ziel des Treffens ist es, in einem Nationalen Aktionsplan präzise Integrationsvorgaben zu formulieren, die dann auch überprüft werden sollen. Dazu zählt nicht nur, dass mehr Migranten Deutsch- und Integrationskurse absolvieren sollen, sondern auch die geplante Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. "Ich werde auf dem Integrationsgipfel einen Gesetzentwurf zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse vorstellen", sagte Schavan weiter. "Das ist für alle ein Gewinn: Die zugewanderten Fachkräfte müssen nicht länger unter Wert arbeiten. Und Deutschland profitiert von den Kenntnissen und Qualifikationen der Zuwanderer", so die Ministerin. Die Bundesregierung geht von 500 000 Migranten aus, deren im Ausland erlangter Hochschulabschluss hier nicht anerkannt wird. "Da liegt eine riesige Menge an Ressourcen brach", sagte Kenan Kücük, Geschäftsführer des Multikulturellen Forums, dem Abendblatt. Über dieses Thema werde schon viel zu lange diskutiert. "Wenn schon vorher gehandelt worden wäre, hätten wir den Fachkräftemangel in seinem heutigen Ausmaß nicht." Kücük, der heute ebenfalls am Integrationsgipfel teilnehmen wird, dämpfte jedoch die Erwartungen. "Ich freue mich zwar, dass wir auf Augenhöhe mit der Bundeskanzlerin über Integration sprechen können, glaube aber nicht, dass sich die Probleme an einem Tag lösen lassen." Trotzdem gebe es auch viele Fortschritte, die in den letzten Jahren gemacht worden seien.

Obwohl der Integrationsgipfel lange geplant ist, hat er nicht zuletzt durch die aktuelle Debatte eine neue Wertigkeit bekommen. Seit den polarisierenden Thesen von Thilo Sarrazin geht es um Parallelgesellschaften, Bildungsprobleme, Integrationsunwilligkeit. Es geht um Deutschen- und Ausländerfeindlichkeit - und darum, ob die Bundesrepublik nun ein Zuwandererland ist oder nicht. Die Diskussion ist unübersichtlich geworden. Der Gipfel, der 2006 zum ersten Mal stattfand, wird jetzt auch zum Signal für einen Neustart in der Integrationspolitik.

"Integration passiert nicht von alleine", sagte auch die Bundeskanzlerin. Gefördert werden könnten Zuwanderer zum Beispiel durch Sprachkurse, gefordert werden könne von ihnen im Gegenzug die Anerkennung der Gesetze und der Verfassung eines Landes. Dabei brachte sie auch "Sanktionen" ins Spiel, zum Beispiel gegen Zuwanderer, die staatliche Leistungen bezögen. Um den Problemen im Bildungsbereich zu begegnen, sagte Schavan: "Zum einen müssen wird die Zahl der Schulabbrecher weiter reduzieren - zum Beispiel mit unseren Bildungslotsen an den Schulen." Zum anderen bräuchte man mehr Migranten, die ein Studium beginnen. "Dafür haben wir mit der Erhöhung des BAföG und der Möglichkeit, ein Deutschlandstipendium obendrauf zu setzen, neue Anreize geschaffen", sagte die Ministerin.

Kritik an dem Gipfel kam von der Opposition. Der integrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic, kritisierte ihn als "reine Symbolpolitik". Durch den Integrationsgipfel würden "Hoffnungen bei den Immigranten geweckt, die Politik positiv mitgestalten zu können", so Kilic. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Klaus Wowereit sagte, "mehr als schön arrangierte Pressebilder" seien nicht zu erwarten.