Auch beim Parteitag wird Horst Seehofer die Debatte um seine Nachfolge nicht mehr los. Frauenquote in geheimer Abstimmung beschlossen.

München. Eine Partei in der Sinnkrise, ein wachsender Unmut an der Basis und ein Parteichef, über dessen Ende offen spekuliert wird: Manche CSU-Mitglieder hatten Horst Seehofer bereits einen Schwarzen Freitag prophezeit. Aber die Abrechnung mit dem Vorsitzenden blieb aus - vorerst. Seehofer wäre nicht Seehofer, wenn er an Tag eins des CSU-Parteitags in der Münchner Messe nicht auf Taktik gesetzt hätte. Einem Rededuell wollte sich der Parteichef nicht aussetzen. Lieber wollte er einen Tag warten und zuerst Karl-Theodor zu Guttenberg und Angela Merkel die großen Auftritte überlassen. Sollten doch die beiden den Applaus-Vergleich der 1000 Delegierten auf sich nehmen.

Geflissentlich hatte die Parteitagsregie so das Protokoll des Tages geplant. Erst sollte der Verteidigungsminister für seine Bundeswehrreform werben, dann die Kanzlerin und CDU-Chefin ihren Auftritt bekommen. Merkels Rede sollte der Höhepunkt des Tages werden. Doch es kam anders. Die CSU stritt sich länger als erwartet und so leidenschaftlich wie lange nicht mehr. Die geplante Einführung einer Frauenquote von 40 Prozent in der Führungsebene löste eine Endlosdebatte mit 46 Wortmeldungen aus (siehe Kasten).

Unterbrochen wurde der Streit erst für Merkels Rede. Und sie tat Seehofer gleich einen Gefallen und warb für die Frauenquote: "Alles, was ich an skeptischen Ideen über die Frauenquote hatte, hat sich später in Luft aufgelöst. Es hat wunderbar funktioniert." Ihre "kleine Empfehlung" an die Schwesterpartei laute deshalb: "Mut zu Neuem." Ein Satz, den man auch als Empfehlung für eine personelle Erneuerung auslegen konnte und als Vorlage für Guttenberg.

Da der 38-Jährige aus bekannten Gründen nicht am selben Tag wie Seehofer reden sollte, sprach er direkt nach der Kanzlerin - ein protokollarischer Unfall. Dann sprengte er auch noch den ihm zugestandenen Zeitrahmen von maximal neun Minuten. In 18 Minuten stellte er seine Mammutreform vor, warnte vor einer Bundeswehr nach Kassenlage und verteidigte die Abschaffung der Wehrpflicht. Und er versicherte dem Parteichef seine Loyalität: "Es kommt auf den Zusammenhalt an, lieber Horst Seehofer, und nicht auf irgendwelche depperten Personaldebatten." Ohne weitere Wortmeldungen stimmte die Partei danach der Guttenberg-Reform zu.

Den ganzen Tag über hatte kein Zweifel bestanden, wer der wichtigste Mann in der Halle war. Eingekreist von Kameras und Fotografen musste sich der Verteidigungsminister immer wieder durch die Delegierten-Reihen kämpfen. Die Mehrheit der Partei glaubt Umfragen zufolge inzwischen, dass die CSU besser dastehen würde, wenn er der Parteichef wäre. Doch Guttenberg selbst mühte sich, den Kult um seine Person nicht noch zu befeuern. Die Personaldebatte sei "ganz und gar nicht" dienlich, sagte er zu Beginn des Parteitags. "Es geht um Inhalte. Wir haben zu arbeiten." Betont schmallippig reagierte der Hoffnungsträger der CSU auf die Spekulationen eines bevorstehenden Machtkampfs. Noch will niemand in der CSU offen über eine Kampfkandidatur Guttenbergs gegen Seehofer im kommenden Jahr sprechen. Doch die mächtigen Bezirksvorsitzenden könnten ihn dazu drängen.

Und Seehofer? Er besaß noch kurz vor Beginn des Parteitreffens die Gabe, Unschönes schönzureden. Unschön müsste der Vorsitzende mittlerweile die Debatte um seine eigene Zukunft finden. Die Parteibasis scharrt mit den Hufen. Sie hat längst für sich festgelegt, wer der nächste Vorsitzende werden soll. Angenommen hat die Basis Seehofer nie, hingenommen hat sie ihn. Im Vorwege des Parteitreffens hatte Seehofer von Luxusproblemen gesprochen, die die Partei mit ihren "überragenden" Nachwuchshoffnungen habe. Auch Luxusprobleme sind Probleme. Seehofer weiß, dass er in einem Jahr nicht mehr wiedergewählt werden könnte.

Als er am Freitag die Messehalle betrat und nach einer kurzen Begrüßung zwei Fragen von Journalisten erlaubte, kam nur eine Frage: Ob er Angst vor der Nachfolgediskussion habe. "Nein", antworte Seehofer gleich mehrfach, als ob man damit der Aussage mehr Glaubwürdigkeit verleihen könne. "Die werden sicher noch viele Wochen und Monate anhalten." Einige Stimmen aus der Basis lassen ahnen, was auf Seehofer noch zukommen könnte. Der schwäbische CSU-Kreisvorsitzende Alfons Zeller sagte, das Schlimmste sei, "dass die Glaubwürdigkeit weg ist". Die Partei stehe nicht mehr zusammen wie früher, der Wille, gemeinsam zu kämpfen, sei erlahmt. An diesem Sonnabend will Seehofer seine Rede halten. Man wird sicher die Länge des Applauses für ihn messen - und dann mit dem Jubel für Guttenberg vergleichen.