In Deutschland gelten bisher 14 Monate. Wirtschaft in Sorge, Gewerkschaften zufrieden

Brüssel. Nach kontroversen Debatten hat das Europaparlament eine Ausweitung des Mutterschutzes in allen EU-Staaten auf 20 Wochen verlangt - bei vollem Lohnausgleich. In Deutschland gilt derzeit eine voll bezahlte Babypause von 14 Wochen. Die Neuregelung sieht zudem zwei Wochen Vaterschaftsurlaub vor, ebenfalls bei vollem Gehalt. 390 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 190 dagegen.

"Dies ist ein guter Tag für junge Eltern und eine gute Nachricht für unsere wirtschaftliche Zukunft", sagte die Berichterstatterin des EU-Parlaments, die Sozialdemokratin Edite Estrela aus Portugal. Die Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen aus Deutschland votierten dagegen mehrheitlich mit Nein. Auch die Bundesregierung kündigte Widerstand gegen die Pläne an. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts würde eine Ausdehnung auf 20 Wochen die deutsche Wirtschaft 1,7 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Befürworter einer Ausweitung des Mutterschutzes hatten argumentiert, dass damit die Gesundheit von Müttern und Kindern verbessert und wahrscheinlich auch die Geburtenrate steigen werde. Die Gegner führten vor allem die höhere finanzielle Belastung für die Unternehmen an. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), bezeichnete die Entscheidung als "völligen Unsinn". "Die Hürde für Frauen, auf den Arbeitsmarkt zu kommen, ist jetzt deutlich höher", sagte die Abgeordnete. Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen bestehe das Risiko, dass Männer bei der Jobvergabe bevorzugt würden. "Angesichts angespannter Staatshaushalte und einer erst langsam wieder wachsenden Wirtschaft setzt das EU-Parlament die falschen Prioritäten", sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler. Gewerkschaften begrüßten dagegen den Beschluss, der "deutlich über unseren Erwartungen liegt", sagte Veronika Nilsson vom Dachverband Europäischer Gewerkschaften ETUC. Der Mindeststandard von bisher 14 Wochen sei nicht ausreichend gewesen für Mütter, um sich angemessen von der Schwangerschaft zu erholen.

Allerdings konnten die deutschen Konservativen einen Antrag durchsetzen, wonach das deutsche Elternzeit-Modell auf die letzten vier Wochen angerechnet werden kann - damit würde der Mutterschutz in Deutschland nur von 14 auf 16 und nicht 20 Wochen steigen. Das EU-Parlament habe "endlich verstanden, dass das deutsche Kombi-Modell aus Mutterschutz und Elternzeit vorbildlich" sei, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Mann. Der Kompromiss werde bei Weitem nicht die "befürchteten 1,7 Milliarden Euro" kosten.

Ob die Änderung der Mutterschutzrichtlinie tatsächlich so kommen wird, ist offen. Die EU-Kommission hatte 2008 eine Mutterschutzzeit von 18 Wochen vorgeschlagen - ohne vollen Lohnausgleich und ohne Vaterschaftsurlaub. Jetzt beginnen die Verhandlungen in Brüssel zwischen Kommission, Parlament und den 27 Mitgliedsländern. Am Ende, so heißt es, könnte der Kompromiss bei 18 Wochen liegen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte kürzlich erklärt, eine Verlängerung auf 20 Wochen Mutterschutz würde Frankreich innerhalb von 20 Jahren 40 Milliarden Euro und Großbritannien 57 Milliarden Euro kosten. In zahlreichen Ländern gibt es - anders als in Deutschland - bisher keinen vollen Lohnausgleich. So erhalten junge Mütter in Belgien (15 Wochen Mutterschutz) zwischen 82 und 75 Prozent und in Finnland (15 Wochen) zwischen 60 und 90 Prozent ihres früheren Lohns.