Mit verlängertem Mutterschutz wird die EU endlich moderner.

Silvana Koch-Mehrin hat vollkommen recht. Jede zusätzliche finanzielle Belastung kleiner und mittelständischer Unternehmen ist schädlich. Eine Verlängerung des Mutterschutzes um vier Wochen mit Lohnfortzahlung - wie sie jetzt in Straßburg beschlossen wurde - wäre eine solche Mehrbelastung. Schädlich auch für Frauen, sagt die FDP-Europaabgeordnete, weil "sich ein kleines oder mittleres Unternehmen dann doppelt und dreifach überlegt, eine Frau einzustellen, wenn sie in dem Alter ist, dass sie Kinder bekommen könnte". So sieht die Wirklichkeit aus. Schließlich zahlen die Unternehmen acht Wochen lang. Wer Arbeit hat, soll auch arbeiten. Abwesenheit gleicht Fehlverhalten, gleich aus welchem Grund jemand eine Auszeit nimmt.

Applaus also für Koch-Mehrin? Weil sie den Mittelständlern, die eh die Last des Staates tragen, den Rücken stärkt? Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen? Wollten wir nicht ein familien- und kinderfreundliches Land? Reden wir nicht ständig darüber, Anreize zu schaffen, damit mehr Frauen Kinder bekommen? Flüstert unser Zeitgeist nicht etwas von Bildung, Wertevermittlung, von Zeit, die wir aufbringen sollen, von Erziehung und Verantwortung und davon, dass Menschen, die Eltern werden wollen, Vertrauen finden müssen, in Chefs, den Staat, ihre Umwelt? Und was antworten Koch-Mehrin und die Konservativen im EU-Parlament? Können wir uns nicht leisten. Das ist ein Rückschritt, dafür gibt es keinen Beifall.

Dass Frauen ein schlechtes Gewissen haben, weil sie sich kümmern, ist schon schlimm genug. Das muss sich ändern. Nicht nur in Europa, auch in Deutschland. Und auch das Elterngeld ist kein Argument. Was ist mit den Müttern, die nicht zu den Topverdienern gehören, die keine 1800 Euro im Monat vom Staat erhalten, die vom Elterngeld nicht leben können - die stehen nach acht Wochen wieder im Job. Sollen doch die Frauen die Kosten tragen, sind ja schließlich ihre Kinder! Das ist Polemik, zugegeben. Und natürlich werden durch die Worte Koch-Mehrins nicht weniger Kinder geboren. Gleichwohl sind sie symptomatisch für den Widerspruch, der hierzulande gepflegt wird. Das große Projekt auf der einen Seite: Umbau der Leistungsgesellschaft zu einer leistungsfähigen Bildungsgesellschaft, in der es wenig Arbeitslosigkeit, wenig Integrationsprobleme, wenig Gewalt gibt. Und auf der anderen Seite die Überraschung darüber, dass uns das etwas kosten wird. Uns alle. Geld. Zeit. Umdenken. Empathie. Na bravo!