Gesundheitsminister Philipp Rösler verteidigt seine Pläne. Er will mehr Effizienz im System. Die Opposition spricht von Murks.

Berlin. Die schwarz-gelbe Koalition will nach der umstrittenen Finanzreform rasch weitere Umbauten am Gesundheitswesen angehen. "Neben der Einnahmereform werden weitere Reformen folgen müssen", sagte Gesundheitsminister Philipp Rösler gestern im Bundestag bei der ersten Lesung des "Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung".

Im nächsten Jahr gehe es unter anderem darum, mehr Effizienz ins Gesundheitssystem zu bringen: durch eine faire und gerechte Reform der Arzthonorare, mehr Elemente der direkten Kostenerstattung und eine Stärkung der Krankheitsvorbeugung. "Jeder Euro muss bei den Menschen für Vorsorge und Versorgung am Ende auch ankommen", betonte der FDP-Politiker. Ohne die Reform müssten Kliniken und Arztpraxen geschlossen werden, weil die Vorgängerregierung ein Milliardendefizit in der Krankenversicherung hinterlassen habe, sagte Rösler. Langfristig werde die Reform mehr Wachstum und Beschäftigung bringen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn, sagte, die Finanzierungsreform sei die Vorstufe für Änderungen an den Strukturen des Gesundheitssystems im nächsten Jahr. Dabei gehe es etwa darum, Anreize für Krankenkassen zu setzen, damit sie sich besser um chronisch Kranke kümmerten. Die Kassen sollten eine bessere Chance erhalten, sich qualitativ voneinander zu unterscheiden.

Wie Rösler und Spahn verteidigte auch FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach die umstrittene Finanzreform. Wenn man ein marodes Haus übernehme, müsse zunächst das Dach gegen Regen gesichert werden. "Dann beginnt die Innensanierung", sagte sie.

Die Opposition kritisierte das Vorhaben erneut scharf. Mit dem Ende der paritätischen Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlasse Schwarz-Gelb ein Kernelement der sozialen Marktwirtschaft, sagte Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn. Dies sei "brandgefährlich". "Das ist alles Murks hoch drei, was Sie da machen", warf SPD-Vizefraktionschefin Elke Ferner der Regierung vor. Sie münzte dies unter anderem auf den geplanten Sozialausgleich. Dieser löse 600 Millionen elektronische Meldungen pro Jahr und somit viel Bürokratie aus. Die geplanten wachsenden Zusatzbeiträge bedeuteten "weniger Netto vom Brutto", kritisierte Ferner. Sie kündigte an, die SPD werde bei einer Regierungsübernahme die Reform rückgängig machen.

Experten zufolge ist die geplante Reform samt höherer Beiträge allerdings dafür verantwortlich, dass im kommenden Jahr die Krankenversicherung ohne Defizit auskommt und eine ausgeglichene Bilanz vorweisen wird. Deswegen seien 2011 für gesetzlich Krankenversicherte keine Zusatzbeiträge auf breiter Front nötig. Die normalen Beitragseinnahmen reichen den neuen Prognosen zufolge aus, die Ausgaben des Gesundheitsfonds zu 100 Prozent zu finanzieren. Das teilte nach zweitägiger Berechnung gestern der Schätzerkreis mit, an dem Vertreter des Bundesversicherungsamts, des Gesundheitsministeriums und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) teilnahmen.

Für das laufende Jahr urteilten die Schätzer: "Aufgrund der günstigen konjunkturellen Entwicklung wird der Gesundheitsfonds höhere Einnahmen erzielen als bislang erwartet." Mit einer Summe von 173,5 Milliarden Euro liegt das Ergebnis etwa eine Milliarde höher als zuletzt geschätzt. Noch besser sieht es für das kommende Jahr aus. Für das Jahr 2011 würden Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 181,1 Milliarden Euro erwartet, die voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen betrügen 178,9 Milliarden. "Damit können im Jahr 2011 voraussichtlich alle Ausgaben der Krankenkassen durch Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds im Durchschnitt gedeckt werden." Die Experten hatten bereits die Folgen der momentan diskutierten Gesundheitsreform mit eingerechnet.

Dementsprechend stellte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, klar: "Es ist das Verdienst der laufenden Gesundheitsreform, dass das für 2011 erwartete Defizit von rund zehn Milliarden Euro im kommenden Jahr ausbleibt." Der große Wermutstropfen sei aber dabei, "dass die Stabilität der Finanzen mit einer deutlichen Mehrbelastung der Beitragszahler durch einen erhöhten Krankenkassenbeitrag erkauft wird." So müssten die Beitragszahler zum Ausgleich des Defizits in Form höherer Beiträge etwa 6,3 Milliarden Euro mehr zahlen, nur ein kleiner Anteil entfalle auf echte Einsparungen. "Dies liegt auch daran, dass es im kommenden Jahr statt einer Nullrunde deutliche Einnahmezuwächse bei Ärzten und Krankenhäusern geben wird", kritisierte Pfeiffer.

Die Vorstandsvorsitzende der größten deutschen gesetzlichen Krankenkasse Barmer GEK, Birgit Fischer, sagte dem Hamburger Abendblatt, trotz der voraussichtlich besseren Einnahmeentwicklung führe an den vorgesehenen Reformen kein Weg vorbei. "Bundesgesundheitsminister Rösler darf jetzt auf keinen Fall den Begehrlichkeiten der Leistungserbringer nachgeben, damit die Stabilität der Versorgung nicht gefährdet wird", forderte Fischer.

Der Vorsitzende des Ärztevebandes Marburger Bund, Rudolf Henke, wandte sich im Abendblatt gegen Forderungen, künftig bei Ärzten und Krankenhäusern zu sparen. Es habe schon Leistungsverdichtungen und Produktivitätszuwächse gegeben, deswegen seien die in 2008 vereinbarten Honorarsteigerungen gerechtfertigt gewesen.