Das Ziel von Parteichef Sigmar Gabriel ist eine rot-grüne Mehrheit 2013. Markenkern der SPD sei soziale Gerechtigkeit und Fairness.

Berlin. Eigentlich hatte die SPD einen Arbeitsparteitag angekündigt, um nach der verlorenen Bundestagswah l die Partei in Ruhe wieder neu aufzustellen. Doch die desolaten Umfragewerte der Bundesregierung haben die Sozialdemokraten schneller wieder ins Rampenlicht gerückt, als sie selbst erwartet hatte. „Die SPD ist wieder da und wir haben bewiesen, dass wir auch wieder Wahlen gewinnen können“, sagt Parteichef Sigmar Gabriel mit Blick auf den Erfolg in Nordrhein-Westfalen . Und er gibt gleich die Devise vor: „Eine eigene Mehrheit mit den Grünen im Jahr 2013 ist unser Ziel.“

Gleichwohl sind die Sozialdemokraten, wie Generalsekretärin Andrea Nahles sagt, noch „mittendrin im Erneuerungsprozess der Partei“. Selbst das Ambiente für diesen außerordentlichen Parteitag wurde der Werkstattatmosphäre angepasst: Statt in einem schicken Kongresszentrum tagen die 525 Delegierten in der „Station“, einem ausrangierten Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg. Auch gibt es etwa zu zentralen Themen wie Steuern und Rente nur eher vage formulierte Eckpunkte. Die eigentlichen Beschlüsse sollen erst im nächsten Jahr folgen.

Die Hauptrichtung gibt Gabriel jedoch bereits vor: „Soziale Gerechtigkeit und Fairness – das ist der Markenkern der SPD“. Es gehe um „gute Bildung, gute Arbeit und fairen Lohn“. Nachdrücklich wirbt er dafür, die Sorgen und Nöte der Menschen ernst zu nehmen. Hier werde die SPD besonders gebraucht, „weil wir davon mehr verstehen als alle anderen“. „Das ist keine Klientelpolitik à la CDU/CSU und FDP und das richtet sich nicht nur an die gehobenen Einkommensgruppen des Bürgertums wie bei den Grünen“, fügt Gabriel mit deutlichem Seitenhieb auch auf den potenziellen Koalitionspartner hinzu. Dass der Höhenflug der Grünen derzeit vielen Sozialdemokraten Sorgen bereitet, ist ihm sehr wohl bewusst.

Die Antwort darauf soll eine Stärkung des sozialdemokratischen Profils sein. An der Rente mit 67 will die SPD zwar festhalten, doch soll sie später kommen als bislang vorgesehen. Bislang sind „die Einführungsbedingungen für die Rente mit 67 eben noch nicht gegeben“, sagt Gabriel mit Blick auf die nach wie vor schlechten Arbeitsmarktchancen Älterer. Gutverdiener sowie Besitzer und Erben großer Vermögen will die SPD stärker zur Kasse bitten, der Spitzensatz der Einkommensteuer soll auf 49 Prozent steigen.

Dafür wirbt auch Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Der Parteirechte mahnt aber zugleich, über der Sozialpolitik die Wirtschaft nicht zu vernachlässigen: „Die sozialpolitische Kompetenz ist eine notwendige Bedingung für die SPD, aber sie ist keine hinreichende, um Wahlen zu gewinnen.“ Umgekehrt bedarf es einer persönlichen Intervention Gabriels, um beim Thema Steuern Forderungen der Parteilinken nach weitergehenden Festlegungen schon hier und heute abzuwehren.

+++ Heinz Buschkowsky im Rampenlicht +++

Heikel bleibt die Ausländer- und Integrationsdebatte, auch wenn die umstrittenen Vererbungsthesen des Noch-SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin auf einmütige Ablehnung stoßen. Für einen pragmatischen Kurs des Förderns und Forderns, auch mit finanziellen Sanktionen für Integrationsverweigerer, wirbt der SPD-Bezirksbürgermeister des Berliner Problemkiezes Neukölln, Heinz Buschkowsky. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wendet sich dagegen, „die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert“ zu erklären. Der Parteitag fordert schließlich mehr Konsequenz auch beim Einfordern von Integration und dem Einhalten rechtlicher Regeln – aber ohne neue Vorschriften.

„Wir müssen eine Politik machen für die Mehrheit der Bevölkerung, dann wird auch die Mehrheit der Bevölkerung akzeptieren, das wir uns um die Minderheiten kümmern“, schlägt Gabriel den Bogen zum angestrebten neuen sozialdemokratischen Profil. Dabei gehe es auch um politische Mehrheiten, greift er noch einmal den Werkstattcharakter des Parteitages auf. Erste Schritte seien geschafft, „wir wissen aber, dass wir noch eine Strecke vor uns haben“. Viel Zeit zur Selbstfindung hat die SPD nicht: In mindestens sechs Landtagswahlen muss sich der neue Kurs schon 2011 bewähren.