Der Bundesinnenminister will mit einem Integrationsprogramm Sprache und Bildung von 1,1 Millionen Ausländern in Deutschland verbessern.

Berlin. Während die Bundesrepublik weiter über die umstrittenen Thesen von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin debattiert, verteidigt die Bundesregierung die Integrationspolitik der letzten Jahre. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte am Mittwoch einen weiteren Integrationsgipfel für November an. Er räumte ein, dass es in der Vergangenheit Versäumnisse bei der Integration gegeben habe. Dies habe sich aber in den vergangenen Jahren auch dadurch geändert, dass sich die großen Volksparteien dem Thema angenommen hätten.

De Maizière stellte in Berlin das “Bundesweite Integrationsprogramm“ vor, das zuvor vom Kabinett gebilligt worden war. Besondere Bedeutung misst der Bericht den Bereichen Bildung und Sprache bei. Künftig sollen daher mehr Lehrer mit Migrationshintergrund eingestellt werden. De Maizière bezeichnete den Spracherwerb als zentrales Element einer erfolgreichen Integration. 1,1 Millionen Ausländer in Deutschland sprächen “nicht ausreichend deutsch“ . Er verwies zudem darauf, dass insgesamt 6,2 Prozent der Deutschen die allgemeinbildenden Schulen ohne Schulabschluss verließen. Bei den Ausländern liege der Anteil bei 15 Prozent.

Der Anteil integrationsunwilliger Migranten liegt nach Angaben de Maizières bei 10 bis 15 Prozent. Jeder Achte tut sich mit dem deutschen Alltag also schwer. Mit Blick auf die Äußerungen Sarrazins betonte de Maizière jedoch, dass dies nicht nur Muslime betreffe. Der größte Teil der Migranten aus aller Welt sei “außerordentlich integrationswillig“.

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Der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Albert Schmid, wandte sich explizit gegen die Thesen Sarrazins und sprach von “Stimmungsmache“. Er zeigte sich verärgert darüber, “dass hier Probleme genannt werden und keine Lösungsperspektiven benannt werden.“ Daraus entstehe Angst. Deutliche Kritik äußerte er an den Äußerungen, wonach es einen Zusammenhang zwischen Integrationsfähigkeit von Ausländern und Religionszugehörigkeit gebe.

Eine aktuelle Umfrage zeigt unterdessen, dass Sarrazins Äußerungen die Republik spalten. Wir eine Forsa-Erhebung für das Magazin “Stern“ ergab, lehnt die Hälfte der Deutschen eine Entlassung Sarrazins als Bundesbankvorstand ab. Rund ein Drittel der Befragten ist hingegen für eine Abberufung. 16 Prozent hatten bei der Frage keine Meinung. Ein ähnliches Bild ergab sich demnach auf die Frage, ob Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen werden sollte. 50 Prozent der insgesamt 1.005 Befragten halten es für falsch, dass die Partei Sarrazin nicht mehr als Mitglied dulden will. 34 Prozent befürworteten eine Entlassung.

Am Donnerstag wollte Sarrazin in Potsdam erstmals öffentlich aus seinem umstrittenen Buch “Deutschland schafft sich ab“ lesen. Die ursprünglich im Kulturzentrum “Waschhaus“ geplante Veranstaltung wurde aufgrund von Protesten und Drohungen in das Konzerthaus “Nikolaisaal“ verlegt.

FDP-Chef Guido Westerwelle sprach sich für eine ernsthafte Integrationsdebatte aus. Er bekräftigte, dass hier lebende Migranten Deutschlands Werteordnung und die Sprache als Schlüssel für eine erfolgreiche Integration akzeptieren müssten. “Wer eingeschult wird, muss Deutsch sprechen, verstehen und dem Unterricht folgen können“, sagte er. Mit Blick auf Sarrazins Äußerungen betonte Westerwelle jedoch, Deutschland könne auf viele hier lebende Kinder mit Migrationshintergrund “stolz“ sein.

Die Opposition warf der Regierung hingegen Versagen bei der Integration der hier lebenden Ausländer vor und verlangten den Rücktritt der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer. “Frau Böhmer ist im Amt der Integrationsbeauftragten eine krasse Fehlbesetzung“, sagte der SPD-Rechts- und Innenexperte Sebastian Edathy. Der innenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, nannte Böhmer “eine Frühstücksdirektorin, mit der sich keine handfeste Integrationspolitik verbindet“. Auch der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic, monierte, Böhmer sei “nicht die Richtige, um die anstehenden Herausforderungen in der Integrationspolitik zu meistern“. De Maizière bezeichnete die Vorwürfe als “gänzlich unberechtigt“.