Wie in Frankreich: Der SPD-Chef will nicht nur die Parteimitglieder einbeziehen – und er kritisiert seine Politikerkollegen scharf.

Hamburg/Berlin. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich drei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl dafür ausgesprochen, über den nächsten Kanzlerkandidaten seiner Partei in einer Art Vorwahl zu entscheiden. „Ich finde die Idee der französischen Sozialisten spannend: Bei der Aufstellung ihres Präsidentschaftskandidaten sollen nicht nur die Parteimitglieder abstimmen können, sondern auch Sympathisanten, Wähler und Wahlhelfer“, sagte er dem „Stern“. „Ich kann mir das auch in Deutschland vorstellen, wenn es mehrere Bewerber gibt.“

Ihm sei aber klar, dass diese Idee in der SPD umstritten sei, räumte der Parteivorsitzende ein. „Natürlich wird es um solche Öffnungen auch Diskussionen geben.“

Bisher bestimmt ein Bundesparteitag den Kanzlerkandidaten der SPD, der vorher von einem kleinen Führungszirkel ausgewählt wird. In einer bundesweiten Urabstimmung hatte die SPD 1993 die Mitglieder über den Parteivorsitz entscheiden lassen, nachdem der damalige Parteivorsitzende Björn Engholm als Spätfolge der Barschel-Affäre zurückgetreten war. In der Mitgliederbefragung setzte sich damals Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul durch.

Hart ging Gabriel mit seinem eigenen „Berufsstand“ ins Gericht. Die Politik sei oft zu kleinmütig, sie traue sich zu wenig. „Wir sind doch – egal welcher Partei wir angehören – Politiker geworden, weil wir die Welt verändern wollten. Aber häufig enden wir als Technokraten.“ Man dürfe als Politiker „nicht gleich aufgeben, wenn man mal scheitert“.

Zugleich warb er für einen pfleglicheren Umgang der Politiker untereinander. „Die Politik ist schneller, härter geworden. Als Parteivorsitzender, Minister oder Regierungschef sind Sie zeitlich, körperlich und psychisch einer ungeheuren Anstrengung ausgesetzt. Der Druck der Medien bis hinein ins Privatleben ist verdammt groß geworden“, meinte Gabriel. Man müsse zwar kein Mitleid mit Politikern haben. „Aber es sollte der Satz meiner Großmutter gelten: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem andern zu.“