Einzelzimmer nur noch für Privatpatienten? Das Ministerium will “Schnittstellen“ definieren. Grüne sehen Aderlass des Solidarsystems.

Berlin. Das Gesundheitsministerium will "die Schnittstellen" zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung klarer definieren. So könnte am Ende die Chefarzt-Behandlung, das Einbett- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus doch nur noch mit Tarifen der privaten Krankenversicherungen oder durch Zusatzversicherungen bei einer privaten Kasse abgedeckt werden. Das Gleiche gilt offenbar für die zusätzliche Absicherung von Zahnbehandlungen und Auslandskrankenversicherungen, die auch aus der Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenkassen gelöst werden könnten, sagte gestern ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Zugleich dementierte er, dass in seinem Haus geplant sei, die Wahltarife für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) pauschal abzuschaffen, wie es zuvor auch aus Koalitionskreisen geheißen hatte. Davon sei in dem Diskussionsentwurf der Bundesregierung für das "Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung" an keiner Stelle die Rede.

Wie berichtet, will die Regierung außerdem vom kommenden Jahr an den Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung vereinfachen. Wer ein Jahr lang monatlich mindestens 4162,50 Euro brutto (Versicherungspflichtgrenze) verdient hat, kann einen privaten Versicherer wählen. Bisher galt eine Drei-Jahres-Frist.

Der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Rolf Koschorrek, CDU-Obmann im Gesundheitsausschuss, trat aber dem Eindruck entgegen, die privaten Kassen würden mit dem Regierungsvorhaben klar bevorteilt, das bereits am 22. September im Kabinett und dann im Dezember vom Bundestag beschlossen werden soll: "Wir wollen die private Krankenversicherung schlicht weiter am Leben erhalten. Ihr darf nicht das Wasser abgegraben werden. Im Zuge der Gesetzgebung der vergangenen Jahre wurde die PKV von ihrem Nachwuchs aber regelrecht abgeschnitten. Diesen Zustand gilt es zu korrigieren. Es ist außerdem unser Ziel, dass gesetzliche und private Kassen nicht mehr gegenseitig in ihren Geschäftsfeldern wildern. Das schafft Rechtssicherheit", sagte er dem Abendblatt. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, befürchtet hingegen einen "Aderlass des Solidarsystems". Die schwarz-gelbe Koalition breche ihr Versprechen, die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfest zu machen.

Das Ministerium stellt unterdessen klar, dass auch diejenigen ihren Versicherungsschutz behalten, die über längere Zeit den von ihrer Krankenkasse festgelegten Zusatzbeitrag nicht bezahlen. Die medizinische Versorgung säumiger Zahler bleibe gewahrt, hieß es. Allerdings drohten, wenn die Pläne der Koalition umgesetzt werden, Inkasso- oder sogar Pfändungsverfahren.

Grundsätzlich hat die Regierung sich bereits auf den Säumniszuschlag für jene Krankenkassen-Mitglieder verständigt, die den Zusatzbeitrag nicht zahlten. Für die Einbeziehung des Zuschlags sollten die Kassen, nicht der jeweilige Arbeitgeber verantwortlich sein. Der Zuschlag solle nach sechs Monaten ausstehender Zahlungen mindestens 30 Euro und maximal drei Monatsbeiträge betragen. Der Ministeriumssprecher nannte den Zuschlag ein "Gebot der Fairness", da ansonsten die Versicherungsgemeinschaft geschädigt werde. Zugleich wies er einen Bericht der "Rheinischen Post" zurück, wonach gesetzlich Versicherte, die ihre Zusatzbeiträge für die Krankenkasse nicht zahlen, Säumniszuschläge von bis zu 225 Euro drohen. Die maximale Höhe des geplanten Säumniszuschlags für gesetzlich Krankenversicherte lasse sich nicht pauschal benennen, insofern gebe es auch keine Obergrenze wie die in dem Bericht genannten 225 Euro. So viel Geld müsste als Säumniszuschlag bezahlt werden, wenn eine Kasse 75 Euro an monatlichem Zusatzbeitrag erheben würde.

Derzeit verlangen die meisten Kassen, die solch einen Beitrag erheben, jedoch 8 Euro im Monat, die höchsten Beiträge liegen bei 37,50 Euro. Dies würde einen Säumniszuschlag von 112,50 Euro ergeben. Zudem stehe es den Versicherten frei, die Krankenkasse bei ihrer Meinung nach zu hohen Zusatzbeiträgen zu wechseln. Wenn Versicherte aber nicht die Kasse wechseln und dennoch nicht die Zusatzbeiträge zahlen, müssten sie auch die Säumniszuschläge zahlen. Bis zu einer Million gesetzlich Versicherte weigern sich derzeit, die Zusatzbeiträge zu bezahlen.