Die geplante Gesundheitsreform wird aktuell in den Koalitionsfraktionen beraten. Sie ist der Startschuss für mehr Beitragsautonomie und Preiswettbewerb der Krankenkassen. Weitere Schritte müssen jedoch folgen, vor allem betrifft das die im Koalitionsvertrag angekündigte Verringerung des Finanzausgleichs zwischen den einzelnen Krankenkassen und das Ziel, gleiche Wettbewerbschancen für alle gesetzlichen Krankenkassen zu schaffen.

Was Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bedeutet, bestimmen die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. Sie beschließen sogenannte Wettbewerbsgrundsätze, die keinesfalls Gesetze sind. Sie beinhalten zum Teil paradoxe, manchmal sogar ideologisch gefärbte Absprachen:

Für Werbung darf eine Kasse jährlich nicht mehr als 3,83 Euro je Mitglied ausgeben (Werbebudget). Das bedeutet: Je größer und bekannter eine Krankenkasse ist, desto mehr darf sie insgesamt für ihre Werbung ausgeben und umgekehrt. Oder anders ausgedrückt: Wer bereits groß ist, darf noch größer werden. Wer aber klein ist, soll es gefälligst auch bleiben.

Seit 2004 dürfen die gesetzlichen Kassen mit privaten Krankenversicherungen (PKV) kooperieren. Die gesetzlichen vermitteln Zusatzversicherungen und PKV-Agenturen betreiben Mitgliederwerbung für diese.

Nach den "Wettbewerbsgrundsätzen" darf die gesetzliche Kasse maximal 76,65 Euro Aufwandsentschädigung an eine PKV-Agentur für die Vermittlung eines neuen Mitglieds zahlen. Dabei sind diese 76,65 Euro ins Werbebudget zu buchen, die deutlich höheren Gehaltskosten für eigene Außendienstmitarbeiter der Kasse dagegen nicht!

Daraus folgt: Die deutlich niedrigeren Zahlungen an PKV-Agenturen werden durchs Werbebudget "gedeckelt". Deshalb stoßen mittelständische gesetzliche Kassen, die aus wirtschaftlichen Gründen häufig wenig eigene Außendienstmitarbeiter beschäftigen, sehr schnell an die Grenzen ihres Wachstums. Sie laufen sogar Gefahr zu "schrumpfen". Oder anders ausgedrückt: Bestraft werden die, die möglichst wenig Beitragsgelder für Mitgliederwerbung ausgeben, belohnt jene, die viel dafür ausgeben. Auf diese Weise bestimmen die Aufsichtsbehörden, wie viele neue Mitglieder eine Kasse höchstens im Jahr aufnehmen darf.

So etwas nenne ich Planwirtschaft. Absurd: Krankenkassen wollen sparen, dürfen es aber nicht.

Übrigens: Mitgliederwerbung ist weder anstößig noch überflüssig. Neue Beitragszahler sorgen dafür, dass der Solidarausgleich zwischen Kranken und Gesunden zu möglichst günstigen Bedingungen (niedrige Zusatzbeiträge) funktioniert. Davon profitieren alle Versicherten einer Kasse.

Diese Ungleichbehandlungen benachteiligen mittelständische Krankenkassen und fördern den Konzentrationsprozess in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die noch von der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) initiierte Fusionswelle in Richtung Einheitskasse rollt dadurch weiter. "Wir tun immer so: je weniger Krankenkassen, desto besser. Diesen Satz kann man schon aus wettbewerblicher Sicht so nicht unterschreiben, und Größe führt nicht automatisch zu höherer Effizienz", sagt dagegen Maximilian Gaßner, der Präsident des Bundesversicherungsamts. Recht hat der oberste Aufseher der Krankenkassen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die betriebwirtschaftliche Sinnhaftigkeit bei Fusionsentscheidungen nicht immer im Vordergrund steht, sondern stattdessen Macht und schiere Größe bis hin zur Unantastbarkeit.

Was die wenigsten wissen: Alle gesetzlichen Krankenversicherungen bilden letztendlich eine Haftungsgemeinschaft. Jede Kasse haftet für jede, auch für die Folgen falscher Fusionsentscheidungen.

Es ist also höchste Zeit, das geltende Genehmigungsverfahren bei Fusionen zu verschärfen. Ich halte es für zwingend notwendig, die haftenden Verbände der fusionierenden Kassen auf Basis eines plausiblen Fusionsplanes in das Genehmigungsverfahren mit einzubeziehen.