Kiel/Berlin. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat die Bunderregierung davor gewarnt, angesichts der positiven Wirtschaftsentwicklung von ihrem Sparkurs abzuweichen. Im Hamburger Abendblatt verwies er auf die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung in seinem Bundesland und mahnte: "Diesen strikten Kurs jetzt zu verlassen, wo tatsächlich etwas mehr Geld in die Kasse zu kommen scheint, das wäre sträflich fahrlässig." Dies sei die Politik der vergangenen Jahrzehnte, kritisierte Carstensen. "Hier müssen wir konsequent umdenken. Das kann ich auch anderen nur empfehlen." Zur Haushaltskonsolidierung, fügte er hinzu, gehörten strukturelle Einsparungen bei den Ausgaben, Personalabbau im öffentlichen Dienst und höhere Einnahmen.

Politiker der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin hatten zuvor wieder Steuersenkungen ins Gespräch gebracht. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, für ihn bleibe das Thema: "Wie geben wir die Aufschwungdividende an die weiter, die sie erwirtschaften?" Er betonte: "Wir streben weiter ein einfacheres und insbesondere für die Mittelschicht niedrigeres Steuersystem an." Während sich der Außenminister auf Jahreszahlen für weitere Entlastungen "jetzt nicht festlegen" wollte, forderte FDP-Finanzexperte Frank Schäffler, die Steuerzahler sollten noch in dieser Wahlperiode eine "Konjunkturdividende" erhalten. Er schlug dazu im "Tagesspiegel" die Abschaffung des Solidaritätszuschlags vor. CSU-Politiker Hans Michelbach verlangte, den Aufschwung dafür zu nutzen, "unser Land durch konsequente Reformen zukunftsfest zu machen". Dabei dürfe die Koalition das Ziel von Steuersenkungen nicht aus den Augen verlieren.

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß warf vor allem Westerwelle vor, verantwortungslos zu handeln, wenn er jetzt für Steuersenkungen eintrete. Die Schuldenbremse im Grundgesetz lege fest, dass konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen nicht den Konsolidierungsbedarf verringerten, erklärte Poß.

Das Bruttoinlandsprodukt ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im zweiten Vierteljahr im Vergleich zum Vorquartal um 2,2 Prozent gestiegen - das ist das höchste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Volkswirte heben ihre Prognosen für das Gesamtjahr kräftig an. Experten erwarten Steuermehreinnahmen von mindestens elf Milliarden Euro in diesem Jahr.