Die Debatte, welche Konsequenzen aus dem Wirtschaftswachstum des vergangenen Quartals zu ziehen sind, kann als Lehrstück über die Berechenbarkeit des politischen Betriebs in Deutschland gelten. Fast fühlt man sich an pawlowsche Reflexe erinnert. SPD und Gewerkschaften fordern Lohnerhöhungen, CSU und FDP träumen von Steuersenkungen, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart und ein halbes Jahr später vernünftigerweise verworfen wurden. An die Spitze hat sich Vizekanzler Westerwelle mit dem Postulat gesetzt, jeder Spielraum, der sich jetzt ergebe, müsse für die Entlastung der Bürger genutzt werden.

Die Debatte mag ein Lehrstück nicht nur über die Fantasielosigkeit, sondern auch über die Verantwortungslosigkeit mancher Politiker sein. Haben sie schon vergessen, dass der Bund sich in diesem Jahr so hoch wie noch nie in der Geschichte der Republik neu verschuldet? Halten sie die Finanzmärkte für gebändigt? Übersehen sie, dass die Schuldenkrise in der Eurozone unkalkulierbare Risiken birgt?

Spielräume, die sich jetzt ergeben, müssen vor allem der Haushaltskonsolidierung dienen. Schon gar nicht darf das Sparpaket des schwarz-gelben Kabinetts angetastet werden.

Ihr Gutes hätte die Debatte, wenn mit ihr ein anderer Streit beendet wäre, der bis zuletzt die Tagesordnung prägte: der um Steuererhöhungen.