Umgang mit Sexualstraftätern in Koalition umstritten

Hamburg. Erst Mitte der Woche setzte das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe erneut die Sicherungsverwahrung gegen einen Sexualstraftäter außer Kraft. Der 58-jährige Mann konnte die Justizvollzugsanstalt Freiburg verlassen und wird nun aus Angst vor einem Rückfall von der Polizei überwacht. Genauso wie in Hamburg auch der 53 Jahre alte Hans-Peter W., der ebenfalls vom OLG Karlsruhe Mitte Juli entlassen worden war und danach nach Hamburg umzog. Bundesweit sind es inzwischen 15 Sicherungsverwahrte, die in Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Dezember 2009 entlassen werden mussten. Die rückwirkende Verlängerung der ursprünglich auf zehn Jahre begrenzten Sicherungsverwahrung hatte der EGMR für menschenrechtswidrig erklärt.

Sechs Entlassungen gab es in Hessen, wie die "Frankfurter Rundschau" gestern berichtete. Jeweils drei Fälle betreffen demnach Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, zwei Schleswig-Holstein und einer das Saarland. Einige der Entlassenen hätten sich freiwillig in andere sichere Einrichtungen oder in Therapie begeben. Insgesamt sind mindestens 80 Gefangene von dem Straßburger Urteil betroffen.

Bisher stehen die Behörden vor größten Schwierigkeiten im Umgang mit den Entlassenen. Das zeigen nicht nur die Erfahrungen in Hamburg. "Es war kaum möglich, für den 58-Jährigen eine Unterkunft zu finden", sagte auch der Leiter des Freiburger Gefängnisses, Thomas Rösch, gestern zu der jüngsten Entlassung. Sieben Einrichtungen wurden angefragt - und sagten ab. Eine Lösung der Probleme wird immer dringender. Die FDP im Bundestag sieht sie nur in einer verschärften Aufenthaltsüberwachung.

"Das bedeutet die Ausgestaltung zum Tragen der elektronischen Fußfessel. Der Entlassene erhält eine Führungsauflage, dass er die elektronische Fußfessel tragen muss", sagte der Rechtsexperte der FDP-Fraktion, Christian Ahrendt, dem Abendblatt. "Über diese Ortungshilfe ist er damit für die Polizei zu überwachen. Sie kann ihn wesentlich leichter rund um die Uhr observieren und mögliche Gefahren für die Bevölkerung abwehren."

Die Union hingegen setzt auf eine neuartige Sicherheitsunterbringung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der "Passauer Neuen Presse", für die Altfälle müsse zum Schutz der Bürger ein neues Instrument geschaffen werden. Die CSU plädiere für eine Sicherungsunterbringung, "die von der Strafhaft getrennt wird, und einen eigenen dafür zuständigen Richter". Die Einführung der elektronischen Fußfessel bezeichnete der bayerische Innenminister als "sinnvollen Schritt". Sie könne aber kein Ersatz für die nachträgliche Sicherungsverwahrung sein. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), warf der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor, die Probleme zu unterschätzen, die die als teilweise sehr gefährlich geltenden entlassenen Verbrecher bereiten.