Für die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gibt es nach Ansicht des CDU-Generalsekretärs keinen rechtlichen und keinen politischen Grund

Seit drei Wochen bewegt die Entlassung eines verurteilten Vergewaltigers aus der Sicherungsverwahrung die Hamburger Bevölkerung. Die Verunsicherung, die ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Zulässigkeit der Regeln in Deutschland ausgelöst hat, ist aber in der gesamten Republik zu spüren.

Die Union - die die innere Sicherheit als ein Kernstück ihrer politischen Arbeit im Programm trägt - muss sich dieser Debatte und den darin aufgeworfenen Fragen besonders stellen. Als CDU sagen wir: Wir wollen, dass unseren Bürgern ein Maximum an Sicherheit geboten wird - im gesetzlich möglichen Rahmen.

Die Sicherungsverwahrung ist dabei die schärfste Maßnahme, die das deutsche Strafgesetzbuch kennt. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben. Sie bedeutet Freiheitsentzug zum Schutz der Allgemeinheit - trotz vollständiger Verbüßung der Haftstrafe. Es darf kein Zweifel daran herrschen, dass in schwersten Fällen und bei Gefahr das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vor der persönlichen Freiheit der Täter steht. Diesem Schutzanspruch wird sich niemand verweigern wollen. Auch unsere europäischen Menschenrechtsstandards stehen dem nicht entgegen, dass der deutsche Rechtsstaat seine Bürger vor Gefahren schützt.

Die christlich-liberale Koalition hat die schwierige Aufgabe, rasch, aber mit größter Sorgfalt eine Lösung zu finden. Mit einem guten und noch dazu schnellen Ergebnis können wir Vertrauen in Politik und Rechtsstaat zurückgewinnen. Wir wollen Lücken schließen, nicht neue öffnen. Unsere klare Leitlinie muss auch nach der Entscheidung in Straßburg sein: Der Schutz unserer Bürger wiegt schwerer als die Freiheit einzelner Schwerverbrecher. Kein Täter darf in Freiheit kommen, solange er für die Allgemeinheit noch eine Gefahr darstellt.

Wir sollten uns davor hüten, ohne Not vorschnell Richtiges abzuschaffen. Für die grundsätzliche Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gibt es schlichtweg keinen Grund!

Das Argument, dass von dieser Möglichkeit bislang - zum Glück! - nur wenig Gebrauch gemacht wurde, spricht wahrlich nicht gegen die Regelung. Vielmehr zeigt sich, dass sie verantwortungsbewusst und mit Augenmaß im Einklang mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen angewendet wird. Dies haben auch die Straßburger Richter für die seit 2004 ergangenen Anordnungen nicht infrage gestellt.

Für die CDU bleibt es wichtig, gerade für schwere Gewalt- und Sexualdelikte auch weiterhin eine nachträgliche Sicherungsunterbringung zuzulassen. So muss es weiterhin möglich sein, auch während der Verbüßung der Haft neu erkannte Entwicklungen zu berücksichtigen. Dass es hierfür in jedem Fall einer rechtsstaatlichen Prüfung bedarf, steht dabei außer Frage.

Darüber hinaus brauchen wir eine neue Form der Unterbringung, um die Anforderungen Straßburgs an die Abgrenzbarkeit der Sicherungsverwahrung von der Strafhaft zu erfüllen. Keinen "Luxusknast", aber einen sicheren Aufenthaltsort, der ein Entweichen wirksam verhindert, aber zugleich Therapiemöglichkeiten bietet.

Gleichzeitig gilt es, die sogenannte Führungsaufsicht, die einem Entlassenen auferlegt werden kann, zeitlich auszuweiten und inhaltlich zu verschärfen. Striktere Meldepflichten, die Beschränkung der Aufenthaltsorte und ein Kontaktverbot mit bestimmten Personen können helfen, eine möglichst umfassende Sicherheit zu gewährleisten.

Ich unterstreiche nochmals: Der Schutz der Bürger geht vor. Sobald wir eine neue gesetzliche Grundlage haben, gilt es, sich jeden Fall, in dem ein zwischenzeitlich entlassener Gewalttäter freigelassen wurde, wieder anzusehen.

Dass kann in der Zwischenzeit aber auch bedeuten, dass wir bereit sein müssen, bis zu einer rechtlichen Neuordnung zusätzliches Personal für die Gefahrenabwehr einzusetzen. Auch wenn dies große Kräfte und viel Geld bindet, sollte uns die Sicherheit diesen zusätzlichen Aufwand wert sein.

Die christlich-liberale Koalition muss im Sommer gemeinsam eine umfassende Lösung finden. Ich bin zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird. Wir sind es den Bürgern schuldig.

Hermann Gröhe, 49, ist Generalsekretär der CDU.