Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland setzen Blogger und Internet-User die etablierte Politik zunehmend unter Druck.

Hamburg. Die US-Regierung hat Ärger. Massiven Ärger. Erst wurden vor einer Woche Zehntausende geheime Dokumente über den Afghanistan-Einsatz auf der Internetplattform WikiLeaks öffentlich gemacht. Jetzt kündigen deren Betreiber noch weitere Enthüllungen an.

Der Druck, der dabei auf den amerikanischen Behörden lastet, wiegt tonnenschwer. Die Wege, genau diesen Druck aufzubauen, sind jedoch kinderleicht. Nur wenige Mausklicks sind nötig, um Informationen zu verbreiten. In kürzester Zeit können sie nach dem Schneeballprinzip unzählige Menschen erreichen. Das Internet ist zu einem Machtinstrument der Bürger geworden. WikiLeaks ist nur das jüngste Beispiel. Und vielleicht auch das professionellste. Seit 2007 haben sich die Betreiber auf Enthüllungen spezialisiert.

In Deutschland sind die Dimensionen zwar deutlich kleiner. Aber auch hier versuchen immer mehr Internetnutzer, in der Politik mitzumischen. Viele von ihnen sind Blogger , betreiben also ein so genanntes Weblog, das kurz Blog genannt wird und eine Art elektronisches Tagebuch ist. Jeder kann so eine Seite im Internet einrichten. Die Gründer von WikiLeaks, aber auch die Hausfrau aus Castrop-Rauxel. "Es ist schön, dass jetzt jeder Werkzeuge zur Verfügung hat, mit denen er seine eigene Meinung publizieren kann", sagt Markus Beckedahl. Der Berliner ist Chefredakteur von netzpolitik.org , einem der wichtigsten politischen Blogs in Deutschland. "Früher war das viel komplizierter. Man brauchte Ressourcen, Geld und Kontakt zu einer Zeitung oder dem Fernsehen. Heute geht das alles mit dem PC", so Beckedahl.

Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2009 lag der Anteil der Internet-Nutzer im vergangenen Jahr bei 67,1 Prozent. Das bedeutet, dass mehr als 43 Millionen der bundesdeutschen Erwachsenen online sind. Und alle sind potenzielle Kontrolleure der etablierten Politik.

Die Erfahrung musste der ehemalige Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Jürgen Rüttgers (CDU), zu Beginn des Jahres machen. Ein Blog aus dem Ruhrpott namens ruhrbarone.de deckte auf, dass die NRW-CDU gegen gutes Geld Gespräche mit Rüttgers vermittelte. Ein Sponsoring-Skandal, der unter dem Schlagwort "Rent a Rüttgers" schnell die Runde machte und nicht nur für Aufregung im Netz sorgte, sondern auch die traditionellen Medien erreichte. Rüttgers war in der Bredouille. Auch im Fall von Horst Köhlers umstrittener Äußerung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan war es ein junger Student aus Tübingen, der die zunächst unbeachtete Passage im Internet verbreitete und den Redaktionen zuspielte. Wenig später trat der Bundespräsident zurück.

"Politiker müssen sich auf einen radikalen Wandel einstellen", sagt Beckedahl. "Und sie müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass sich der Informationsfluss heute nicht mehr so leicht kontrollieren lässt." So wie in den USA. Die berühmteste amerikanische Bloggerin Arianna Huffington hat dort sogar eine eigene Online-Zeitung gegründet, die allein von Bloggern mit Inhalten gefüllt wird und zu einem wichtigen Element in der politischen Debatte geworden ist. Bürger, die sich für ihre Themen stark machen wollen, brauchen sich nur noch hinter den Bildschirm zu setzen. Eine der größten deutschen Kampagnen war der Einsatz der Netzaktiven gegen Internetsperren, durch den die Anwendung des umstrittenen Gesetzes verhindert wurde.

"Politiker müssen lernen, mit dieser Entwicklung umzugehen", sagt Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. "Die Folge sind mehr Transparenz und mehr Demokratie." Beides, so von Notz, sei gut und wünschenswert.

Eine Frage lautet jedoch auch, wer eigentlich die Kontrolleure kontrolliert. Wie groß ist die Gefahr, dass sich auch bloße Gerüchte im Netz verbreiten? "Die Blogger und Internet-User kontrollieren sich gegenseitig", sagt Beckedahl. "Die Durchschlagskraft einer Seite basiert immer auf ihrer Reputation. Das heißt: Wer sich Patzer erlaubt oder Unwahrheiten verbreitet, findet bei Vielen schnell kein Gehör mehr." Auch von Notz setzt bei den Blogs auf Glaubwürdigkeit. "Wer die einmal verspielt hat, verliert seine Leser."