Auf Facebook, Twitter und StudiVZ protestieren Tausende Online-Nutzer gegen ihre neue alte Lieblingsfeindin

Hamburg. Es ist Dienstagnachmittag 16.34 Uhr, als das Revival der "Zensursula" beginnt. Gerade ist die Meldung raus, dass Ursula von der Leyen als favorisierte Nachfolgerin von Horst Köhler gehandelt wird. Gerade ein paar Minuten, und schon ist es wieder da, das Feindbild Nummer eins der deutschen Internetgemeinde. "Zensursula - not my president", verkünden Hunderte Netzaktive und starten damit eine Anti-Kampagne über den Kurznachrichtendienst Twitter, in den sozialen Netzwerken Facebook und StudiVZ, in Blogs und Foren. Tausende sind es mittlerweile, die Zahl der Gleichgesinnten steigt stündlich. Denn schon seit einem Jahr ist von der Leyen für sie eine Reizfigur, die deshalb auf den Namen "Zensursula" getauft wurde.

Noch als Bundesfamilienministerin wollte die CDU-Politikerin im Frühjahr 2009 eine Sperre für Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt durchsetzen. Ein Vorhaben, das auf viel Kritik in der digitalen Welt stieß: Solche Sperren, so ihre Argumentation, würden dem eigentlichen Problem nicht gerecht, sondern vielmehr einer Zensur gleichen und den gesetzlichen Weg für weitere Sperren ebnen. Und das sei eine Gefahr für die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit. Eine Petition gegen die Internetsperren wurde von mehr als 134 000 Menschenunterzeichnet - eine bisher einmalige Anzahl in der Bundesrepublik. Zwar wurde das Gesetz trotzdem im Juni vom Bundestag verabschiedet, trat aber faktisch nie in Kraft. Die "Zensursula"-Debatten verebbten. Bis jetzt.

Dienstagnachmittag, 17 Uhr: Carsten Dobschat, Blogger aus Saarbrücken, gründet eine Gruppe bei Facebook und übernimmt den Slogan "Zensursula - not my president" als Titel. 20 seiner Freunde lädt Dobschat per Mausklick zum Mitmachen ein. Doch dann verselbstständigt sich die Sache. Um 21 Uhr gibt es mehr als 1000 Unterstützer, die auf die Gruppe aufmerksam geworden sind. Gestern Vormittag klettert diese Zahl auf 3000. Am Abend sind es schon mehr als 8000 Mitglieder, die das Anliegen unterstützen. "Das ist völlig überraschend", sagte Dobschat dem Abendblatt. Und so haben sich auch Musiker bei ihm gemeldet, um einen Protestsong aufzunehmen.

Ein Online-Shop verkauft T-Shirts mit "Zensursula"-Logo und dem Slogan der Bewegung, die in nur wenigen Stunden die Netzwelt durchwoben hat. Dabei ist "not my president" keine neue Erfindung. Denn unter diesem Titel haben schon weltweit Bürger gegen Politiker protestiert. Vor allem gegen George W. Bush in den USA, aber auch gegen Mahmud Ahmadinedschad im Iran.

In diese Reihe bringen deutsche Netzaktivisten nun von der Leyen - und überschütten sie im Sekundentakt mit Kritik: "Von der Leyen auf dem Weg zur Bundespräsidentin? Wo ist denn das große rote Stoppschild, wenn man es mal wirklich braucht?!", fragt ein User namens "kleinergag" in Anspielung auf jene Schilder, die bei den im vergangenen Jahr geplanten Sperren hätten angezeigt werden sollen, wenn eine verbotene Seite angesurft wird. Ein anderer schreibt: "Von der Leyen als Präsidentin? Nein danke. Dafür liebe ich meine Freiheit zu sehr." Ein Revival erlebt auch das schwarz-weiße Logo mit einem Konterfei von der Leyens, das sich die Internetnutzer in ihre Profile bei den sozialen Netzwerken hochladen, um ihren Widerstand schon auf den ersten Blick deutlich zu machen, so wie die User es schon 2009 taten.

Dennoch dürfte der Protest der Netzwelt wohl keinen allzu großen Effekt auf die Nominierung von der Leyens für das Bundespräsidentenamt haben. Fest steht trotzdem, was User "evyger" getwittert hat: "So einen Widerstand gegen einen Bundespräsidenten wie aktuell gegen Zensursula gab's wohl auch noch nie. Ich liebe das Netz."