Zahlreiche Sicherheitsauflagen wurden bei der Loveparade in Duisburg nicht eingehalten. Das Ordnersystem war zusammengebrochen

Düsseldorf. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen erhebt schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter der Loveparade. Nach ersten Auswertungen von Polizeiberichten soll der Organisator der Großveranstaltung zahlreiche Sicherheitsauflagen nicht erfüllt und Zusagen nicht eingehalten haben, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Zahl der privaten Ordner habe in wichtigen Streckenabschnitten nicht ausgereicht, und der Besucherandrang führte schließlich dazu, "dass das Ordnersystem zusammenbrach", so der Minister. Erst als die Situation außer Kontrolle geraten sei, habe der Veranstalter die Polizei alarmiert. Der Minister übte auch Kritik am Genehmigungsverfahren der Stadt Duisburg. So habe die Polizei wichtige Unterlagen erst wenige Stunden vor Beginn der Techno-Party erhalten.

Nach einer Massenpanik am Eingang des Veranstaltungsgeländes kamen am Sonnabend 21 Menschen ums Leben, mehr als 500 Besucher der 20. Loveparade wurden teilweise schwer verletzt. Noch heute liegen etwa 40 Menschen in Krankenhäusern, einige weiterhin auf Intensivstationen. Nach dem ersten vorläufigen Untersuchungsbericht hat der Ausfall des privaten Ordnerdienstes zu der Katastrophe geführt. Während sich am Eingang zum Gelände die Besucher stauten, konnten weitere Menschen ungehindert in die Tunnelanlage gelangen, die zum einzigen Zu- und Ausgang der Loveparade führte. "Für diesen Bereich der Tunnelanlage und der Rampe war ganz eindeutig der Veranstalter zuständig", betonte auch Dieter Wehe, der Polizei-Inspekteur des Landes.

Dies galt auch für den Zugang zur 400 Meter langen und 16 Meter breiten Tunnelanlage. Statt jedoch den Zugang zu versperren, hätte der private Sicherheitsdienst diese Sperrungen aufhoben, so dass immer mehr Besucher in Richtung Tunnelanlage drängten. Der Organisator der Loveparade, Rainer Schaller, wehrte sich in der "Bild"-Zeitung gegen die Vorwürfe. "Wir haben alle Auflagen zu 100 Prozent erfüllt", sagte der Gründer der Fitness-Kette McFit. "Der Platz war zum Zeitpunkt der Tragödie nur zu 75 Prozent gefüllt." Der Unternehmer verwies darauf, dass die Genehmigung ohne Abstriche erteilt worden ist. "Ohne diesen Stempel hätten wir die Loveparade niemals stattfinden lassen."

Schon im Vorfeld habe die Polizei nach Aussagen des Ministers auf mögliche Gefahrenherde hingewiesen. Welche Fehler die Stadt Duisburg beim Genehmigungsverfahren gemacht habe, werde nun die Staatsanwaltschaft klären müssen. Jedoch bewertete er die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Stadt als nicht optimal. In der Genehmigung der Stadt wurde die Besucherzahl auf 250 000 Personen begrenzt und die Unterschreitung der sonst üblichen Breite und Länge der Rettungswege erlaubt. Jedoch steht auch die Polizei in der Kritik: Fotos und Videos, die im Internet kursieren, zeigen, dass die Ordnungshüter mit einer Polizeikette den zweiten Tunnel zumindest zeitweise absperrten - er war eigentlich als Ausgang gedacht. Dadurch wurden die Besucher zur eigentlichen Eingangsrampe umgeleitete. So wurde der Zugang gleichzeitig zum Ausgang, mit der Folge, dass sich die Menschengruppen stauten. Auf mehreren Videos von Augenzeugen ist auch zu sehen, dass mehrere Polizisten untätig dem Geschehen auf der Rampe zuschauten statt zu helfen.

Als Konsequenz aus dem Drama von Duisburg will das Bundesinnenministerium eine Neuregelung bei Großveranstaltungen überprüfen. Ab einer gewissen Größenordnung sei es sinnvoll, "auf der Ebene der Regierungsbezirke oder sogar auf Landesebene zu einer gemeinsamen Prüfung und vielleicht sogar zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen", sagte ein Ministeriumssprecher. Das Unglück soll auch Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz werden.

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland hält indes weiter an seinem Amt fest. Allerdings formiert sich in der Stadt der politische Widerstand gegen den Christdemokraten. "In dieser Woche nehmen wir aus Respekt vor den Opfern keine politische Aufarbeitung vor. Das wird sich danach ändern", kündigt ein Vertreter der Opposition im Rat an. Auch die Abwahl des Oberbürgermeisters würde dann ein Thema werden. Im Stadtrat haben CDU und FDP seit der letzten Kommunalwahl keine Mehrheit mehr.

Am Sonnabend soll es in der Duisburger Salvatorkirche eine zentrale Trauerfeier für die 13 verstorbenen Frauen und acht Männer geben, an der unter anderem Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) teilnehmen wollen. Duisburgs Oberbürgermeister verzichtet dagegen auf eine Teilnahme. Er wird von vielen Menschen für die Tragödie verantwortlich gemacht und soll bereits Morddrohungen erhalten haben.