Die türkische Justiz beantragt die Auslieferung eines Verurteilten. Das deutsche Aussteigerprogramm für Islamisten ist angelaufen.

Koblenz/Berlin. Der Terrorismus-Prozess vor dem Koblenzer Oberlandesgericht ist mit mehrjährigen Haftstrafen für die beiden Angeklagten zu Ende gegangen. Der Staatsschutzsenat verurteilte den geständigen Ömer Ö. wegen Mitgliedschaft bei al-Qaida und Unterstützung des Terrornetzwerks zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Der Mitangeklagte Sermet I. muss als Terrorhelfer für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Beide haben lange in Sindelfingen (Kreis Böblingen) gelebt.

Der 32-jährige Ömer Ö. soll zusammen mit dem gleichaltrigen Sermet I. zwischen 2004 und 2008 dem internationalen Terrornetzwerk al-Qaida bei seiner tödlichen Mission geholfen haben. Seit September 2009 standen die Männer türkischer Abstammung vor Gericht. An rund 60 Prozesstagen sind mehr als 100 Zeugen und Gutachter unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen gehört worden. Ö. hat al-Qaida nach Überzeugung der Richter in zwei Fällen mit Geld und Kampfgerät unterstützt und war zeitweilig sogar Mitglied in dem Terrornetzwerk.

Das türkische Justizministerium und die türkische Generalstaatsanwaltschaft hatten kurz vor der Urteilsverkündung die Auslieferung des Angeklagten Ömer Ö. beantragt. Dabei geht es um ein Teilgeständnis des 32-Jährigen, in dem er die Beteiligung an einem Angriff auf afghanische Soldaten zugab. Diese Aussage widerrief er jedoch im Laufe des Prozesses.

Der Verfassungsschutz hat derweil ein Aussteigerprogramm für Islamisten gestartet, die sich aus der gewaltbereiten Szene lösen wollen. Aussteigewillige sowie ihre Freunde und Angehörigen können sich telefonisch oder per E-Mail an Mitarbeiter wenden. Die Gespräche werden vertraulich geführt, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz mitteilte. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das Aussteigerprogramm angekündigt. Es trägt den Namen Hatif. Die Bezeichnung stehen für „Heraus Aus Terrorismus und Islamistischem Fanatismus“. Hatif ist auch das arabische Wort für Telefon.

Aussteigewillige sollen vom Verfassungsschutz Hilfen erhalten, wenn zum Beispiel ein Ortswechsel nötig ist, schulische oder berufliche Qualifizierungen angestrebt werden oder Behörden kontaktiert werden müssen. Werden die Betroffenen bedroht, will das Amt „geeignete Maßnahmen“ ergreifen. Experten gehen davon aus, dass sich die Gefahr, in die sich Aussteiger begeben, sehr hoch ist.

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes am 21. Juni erklärte Maizière, dass Islamisten Deutschland weiterhin im Visier hätten. Ende vergangenen Jahres zählte der Verfassungsschutz in Deutschland 29 islamistische Organisationen, die bundesweit aktiv waren. Die Zahl der Islamisten in der Bundesrepublik wird auf 36.270 geschätzt. Im Jahr 2008 waren es noch etwa 34.720.