Gerade die Nato-Truppen, die er besuchen wollte, wurden in schwere Gefechte verwickelt. Ein Taliban-Führer wurde getötet.

Kundus. Es wäre wohl die bisher gefährlichste Dienstreise von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geworden. Am Freitagmorgen brach der CSU-Politiker mit einem Hubschrauber vom nordafghanischen Kundus auf, um erstmals einen Truppenteil außerhalb der schützenden Mauern der Feldlager zu besuchen. Daraus wurde aber nichts. Nach zehn Minuten Flugzeit drehte der Helikopter um und flog zurück nach Kundus. Der Grund: Die schnelle Eingreiftruppe („Quick Reaction Force“), die Guttenberg in der Unruheprovinz Baghlan besuchen wollte, war plötzlich in schwere Kämpfe mit den radikalislamischen Taliban verwickelt worden.

„Sicherheit geht vor, auch für die Männer vor Ort“, sagte der Minister nach der Rückkehr. Guttenberg wünscht sich trotz aller Skepsis seiner Sicherheitsleute schon lange einen Ausflug in eines der Gebiete, in denen deutsche Soldaten Tag für Tag ihr Leben riskieren. Der zeitliche und der logistische Aufwand ließen es bei seinen ersten Afghanistan-Touren aber nicht zu. Jetzt wurde es aus anderen Gründen wieder nichts.

Bei einem Nato-Luftangriff in der afghanischen Provinz Kundus ist nach Polizeiangaben ein örtlicher Taliban-Führer getötet worden. Insgesamt seien bei dem Angriff 13 Aufständische ums Leben gekommen, sagte der Polizeichef der zum Einsatzgebiet der Bundeswehr gehörenden Provinz, Abdul Rasak Jakubi. Der Taliban-Kommandeur Kari Latif hatte sich selbst als Drahtzieher eines Anschlags auf eine US-Hilfsorganisation bezeichnet, bei dem Anfang Juli vier Menschen ums Leben kamen, darunter ein deutscher Wachmann. Die Isaf bestätigte, der Luftangriff habe einem Taliban-Führer gegolten. Ob er tatsächlich getötet worden sei, werde aber noch untersucht.

Nur wenige Minuten vor dem Abflug hatte Guttenberg erneut gewarnt, dass sich die Sicherheitslage in den nächsten zwei Monaten vor den Parlamentswahlen in Afghanistan weiter verschlechtern könnte. „Es ist eine Situation, die uns sehr viele Sorgen macht“, sagte er. Der Bundeswehrkommandeur in Kundus, Oberst Reinhardt Zudrop, zeigte sich kaum verwundert über den Taliban-Angriff in Baghlan, wo vor drei Monaten vier deutsche Soldaten getötet wurden. „Es passt in das Gesamtbild der hohen Aktivität, die wir hier zurzeit im Nordbereich haben.“ Tatsächlich hat sich die Lage in Afghanistan seit dem Frühjahr zusehends verschlechtert.

Im Juni wurden 102 ausländische Soldaten der internationalen Schutztruppe Isaf getötet, mehr als in jedem anderen Monat seit Beginn des Einsatzes Ende 2001.

Auch im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr im Norden sind Gefechte fast schon an der Tagesordnung. Neben den Kämpfen in Baghlan gab es am Freitag in Kundus einen Sprengstoffanschlag, bei dem glücklicherweise niemand verletzt wurde. Welche Wucht die Sprengfallen der Taliban haben, konnte Guttenberg im Feldlager besichtigen. Zudrop zeigte ihm einen Fuchs-Panzer, dessen Boden von einem Sprengsatz teilweise zerfetzt worden war. Wären Soldaten im Laderaum gewesen, sie hätten es wohl nicht überlebt.

Noch gefährlicher könnte es für die deutschen Soldaten durch die Umsetzung der neuen Afghanistan-Stratagie werden. In diesen Tagen beginnt die Truppe mit der verstärkten Ausbildung der afghanischen Armee in der Fläche, dem sogenannten „Partnering“. Das heißt, deutsche Kräfte werden noch häufiger und noch länger in gefährlichen Einsätzen sein und die Afghanen noch enger begleiten. „Wir gehen in den Wald hinein, und scheuchen das Wild auf“, beschreibt der Isaf-Kommandeur für Nordafghanistan, Generalmajor Hans-Werner Fritz, die Strategie. Ein solches Vorgehen rufe eben auch Reaktionen hervor.

Die Isaf hat in Nordafghanistan mächtig aufgerüstet. Auch davon konnte Guttenberg sich ein Bild machen. Am Morgen nahm er in Masar-i-Scharif an einer Zeremonie zur Übergabe von 40 amerikanischen Kampf-, Transport und Sanitätshubschraubern an das Regionalkommando teil. Ein amerikanischer Oberst überreichte ihm dabei die Hülse eines 30 Millimeter-Geschosses, das ein Apache- Hubschrauber am Vortag bei einem Gefecht abgeschossen hatte. Die Amerikaner sind mit rund 5000 Soldaten im Norden inzwischen genauso stark präsent wie die Deutschen. Insgesamt sind 12.000 Soldaten aus 19 Ländern in der Region stationiert – oppelt so viele wie noch vor einem Jahr.

Nach den Kampfhubschraubern hatte sich die Bundeswehr lange Zeit gesehnt. „Die Helikopter sind ein wesentlicher Schritt nach vorne“, sagte Guttenberg. In Kundus besichtigte er ein weiteres Kampfgerät, von dem er sich viel verspricht: Mit zwei Panzerhaubitzen 2000 hat die Bundeswehr Ende Mai erstmals schwere Artilleriegeschütze ins Ausland verfrachtet. Sie können 40 Kilometer weit schießen und selbst auf diese Entfernung auf 30 Meter genau treffen.