Auf einer Klausurtagung am Wochenende will die FDP-Spitze ihren Steuerstreit begraben und einen inhaltlichen Erneuerungsprozess einleiten.

Hamburg. Ein Signal der Geschlossenheit soll von der FDP-Vorstandsklausur am Wochenende ausgehen. Doch die Voraussetzungen sind denkbar schlecht: Noch bevor die führenden Liberalen in Berlin zu ihrer zweitägigen Sitzung zusammenkommen, drohen der Partei Flügelkämpfe in der Steuerpolitik.

Entgegen der bisherigen Parteilinie erwägen mehrere Spitzenliberale Mehrbelastungen auch für Besserverdienende. Laut "Handelsblatt" sollen sie in vertraulichen Gesprächen vereinbart haben, auf der Klausurtagung über eine Anhebung des Spitzensteuersatzes zu diskutieren. Die daraus resultierenden Einnahmen sollen zunächst einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten und später die Kosten für eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen auffangen.

Bislang hatte die FDP Steuererhöhungen auch für Bezieher höherer Einkommen strikt abgelehnt. Der interne Widerstand gegen solche Planspiele ist damit programmiert. Niedersachsens Wirtschaftsminister und FDP-Vorstandsmitglied Jörg Bode zeigte sich am Freitag offen irritiert: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die FDP am Ende ihrer Klausur für eine Erhöhung der Einkommensteuer einsetzt", sagte er dem Abendblatt. Wer den Spitzensteuersatz ohne Stufentarif erhöhe, belaste vielleicht auch einige Reiche, aber er belaste vor allem den Mittelstand. "Das kann die FDP nicht ernsthaft wollen." Stattdessen solle die FDP in dieser Legislaturperiode "weiter um ihr Steuermodell kämpfen", forderte der Minister. "Ich erwarte, dass sich spätestens bis zum 1.1.2013 das Steuersystem in Deutschland verändert und damit grundlegend vereinfacht hat."

Der nächste Konflikt droht der Partei bei der Mehrwertsteuer. Zum einen macht sich Unmut über die Union breit, die bei der Reform des von Ausnahmeregeln durchzogenen Systems auf die Bremse drückt. Zum anderen stören sich immer mehr Liberale an der erst vor einem halben Jahr beschlossenen Mehrwertsteuersenkung für Hotelbetriebe. Die FDP will das System nun so schnell wie möglich überarbeiten. Am Freitag erhöhte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger den Druck auf Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): "Der Mehrwertsteuerdschungel in Deutschland muss endlich gelichtet werden. Das System ist undurchschaubar und führt zu absurden Ergebnissen", sagte sie dem Abendblatt. Die FDP wolle das Mehrwertsteuersystem endlich wieder vom Kopf auf die Füße stellen. "Deshalb muss es radikal vereinfacht und für jeden wieder verständlich werden", forderte die Fraktionschefin. Homburger betonte: "Bundesfinanzminister Schäuble ist aufgefordert, endlich die vereinbarte Kommission zur Überarbeitung des Mehrwertsteuersystems einzusetzen und die Reform auf den Weg zu bringen." Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki forderte dagegen, zuerst intern eine klare Linie bei der Mehrwertsteuer zu vertreten. "Die neue Ausnahme nur für Hotels kann kein Mensch nachvollziehen. Sie muss wieder weg. Es macht keinen Sinn außer bei den Grundnahrungsmitteln eine ermäßigte Mehrwertsteuer zu erheben", sagte er "stern.de".

Die miserablen Umfragewerte und die ausbleibenden Erfolge in der Regierungsarbeit haben die FDP tief verunsichert. "Auf die Frage, für welche Partei die Lage derzeit günstig aussieht, würden wohl nur Enthusiasten derzeit FDP antworten", gab Generalsekretär Christian Lindner zu. Am Sonntag, wenn das Treffen beginnt, werden er und Parteichef Guido Westerwelle ein gemeinsames Strategiepapier vorstellen, mit dem die Partei ihren thematischen Erneuerungsprozess einleiten will.

Noch hat dieses Papier keinen Titel, aber einige Inhalte sind bereits durchgesickert. So will die FDP die soziale Marktwirtschaft wieder in den Vordergrund stellen. Auch als Partei der Bürgerrechte und der Solidarität will sie punkten - und weniger mit dem Thema Steuersenkungen, die ohnehin mittelfristig abgesagt sind. Die innenpolitische Lücke, die Westerwelle als Außenminister hinterlassen hat, sollen vorerst Gesundheitsminister Philipp Rösler, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle verstärkt füllen, heißt es in Vorstandskreisen. "Wir müssen uns nicht neu erfinden, sondern den Stellenwert jedes unserer Themen neu gewichten", kündigte Bode an. "Wir werden stärker die Personen in den Vordergrund stellen, die die einzelnen Themen am besten verkörpern."

Der Minister dämpfte zugleich die Erwartungen an die Klausur. "Die Frage der sozialen Kompetenz der FDP werden wir nicht an diesem Wochenende beantworten können. Allein die Botschaft der Solidarität wird die Partei nicht so schnell verändern." Die Partei brauche jetzt die Zeit für eine ausführliche Richtungsdebatte. "An dieser Debatte wird die Basis intensiv beteiligt", betonte der Minister.