Zentralrat der Juden sowie Zentralrat der Muslime kritisieren das Urteil. Demnach ist die Beschneidung von Kindern eine Straftat.

Köln/Stuttgart. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat ein Urteil des Landgerichts Köln kritisiert, wonach religiöse Beschneidungen strafbar sind. Man sehe in dem Urteil "einen eklatanten und unzulässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und in das Elternrecht“, teilte der Zentralrat am Mittwoch in Köln mit.

"Die Religionsfreiheit ist ein sehr hohes Gut in unserer Verfassung und darf nicht Spielball einer eindimensionalen Rechtsprechung sein, die obendrein diesem Thema gegenüber bestehende Vorurteile und Klischees noch weiter verfestigt“, kritisierte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. Nach Auffassung des Landgerichts sind religiöse Beschneidungen von Jungen als Körperverletzung zu werten. Schwerer als die Religionsfreiheit wiegt demnach das Selbstbestimmungsrecht des Kindes.

Unterdessen hat der Kinderschutzbund Baden-Württemberg hat die Rechtsprechung begrüßt. "Der Richterspruch entspricht der UN-Kinderrechtskonvention“, sagte die Landeschefin Iris Krämer am Mittwoch in Stuttgart. Krämer sagte, Kinder hätten das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung. Das Entfernen der Vorhaut bei Jungen verstoße dagegen, zumal die dafür vorgebrachten hygienischen Argumente heute keine Rolle mehr spielten. Das Urteil müsse dazu führen, dass die Kinderrechte rasch im Grundgesetz verankert würden.

+++ Gericht: Beschneidung von Jungen ist Körperverletzung +++

Die Jungen könnten bei Erreichen der Volljährigkeit selbst entscheiden, ob sie den Eingriff wünschten. Die Religionsfreiheit werde davon in keiner Weise beeinträchtigt: "In unserem Land kann jeder glauben, was er will.“

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) hat sich dagegen ebenfalls kritisch zum Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts geäußert. Die Beschneidung von Jungen sei seit Jahrhunderten religiöse Praxis bei Juden und Muslimen, die nun infrage gestellt werde, erklärte die Gemeinde am Mittwoch in Berlin. Sie geht davon aus, dass eine höhere Instanz das Urteil korrigiert.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte das Urteil als einen "beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“ bewertet und den Bundestag als Gesetzgeber aufgefordert, "die Religionsfreiheit vor Angriffen zu schützen“.

Die TGD äußerte Verständnis für die empörten Reaktionen des Zentralrates der Juden und muslimischer Organisationen. Die Gemeinde äußerte zudem die Befürchtung, dass es nun bei Jungen zu unerlaubten und fachfremden medizinischen Eingriffen kommen und dadurch die Gesundheit der Kinder noch mehr in Gefahr geraten könnte. Weitere Folge könnte ein "Beschneidungstourismus“ aus Deutschland in Länder sein, in denen religiöse Beschneidungen nicht unter Strafe stehen, hieß es in einer Mitteilung.

Die TGD sieht sich als säkulare Interessenvertretung der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland. Die Dachorganisation repräsentiert mit ihren Landes- und Fachverbänden nach eigenen Angaben 267 Vereine. (abendblatt.de/dpa)