Im Fall eines Sieges von Hollande bei den Wahlen zum Präsidenten Frankreichs zeichnet sich ein Kräftemessen mit der Kanzlerin ab.

Berlin/Paris. Die Präsidentschaftswahl in Frankreich könnte die deutsch-französische Krisenpolitik stark verändern. Darauf bestand der aussichtsreiche Kandidat François Hollande am Donnerstagabend im französischen Fernsehen: „Deutschland kann nicht alleine für ganz Europa entscheiden“, sagte der Sozialist. Auch er wolle die Schulden senken, aber dies sei nur mit gleichzeitigem Wachstum möglich. „Ich werde Merkel deutlich machen, dass das französische Volk eine Wahl getroffen hat“, erklärte er. Sollten die Franzosen in der Stichwahl am 6. Mai ihn zum Präsidenten wählen, würde sich der „Ton und die Ausrichtung in Europa“ fundamental verändern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen will am Fiskalpakt der EU nicht mehr rütteln lassen. Er sei von 25 Regierungschefs unterzeichnet und teilweise ratifiziert worden, „er ist nicht neu verhandelbar“, sagte Merkel den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Freitagausgaben). Angesprochen auf Hollande erklärte Merkel, „das Thema Wachstum, das manche jetzt anmahnen, ist darüber hinaus neben den soliden Finanzen längst die zweite Säule unserer Politik“.

Merkel sagte zudem, in Frankreich stünden „zwei pro-europäische Politiker“ zur Stichwahl. Sie werde als deutsche Kanzlerin mit jedem französischen Präsidenten gut zusammenarbeiten. Das entspreche der „Verantwortung unserer beiden Länder“. Sie habe Sarkozy unterstützt, weil sie zu einer Parteienfamilie gehörten und überdies in der Schuldenkrise „verlässlich zum Wohle Europas zusammengearbeitet“ hätten. Finanzminister Schäuble betonte, die deutsch-französische Zusammenarbeit funktioniere unabhängig von den Wahlergebnissen in beiden Ländern. „Wer in Frankreich gewählt wird, wird ein sehr enger Partner der deutschen Bundeskanzlerin.“

Hollande liegt unterdessen einer Umfrage zufolge weiterhin deutlich vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage kommt Hollande auf 55 und Sarkozy auf 45 Prozent. Besonders interessant für den Ausgang der Stichwahl am 6. Mai wird das Votum der Wähler der rechtsextremen Front National sein - sie hatte beim ersten Durchgang am vergangenen Sonntag 18 Prozent erreicht. Laut Sopra würden sich 51 Prozent von ihnen für Sarkozy und nur 16 Prozent für Hollande entscheiden, 33 Prozent würden sich enthalten. Weil Hollande aber die meisten Wähler der Linksfront und ein Drittel der Mitte-Partei Modem auf sich zieht, kann er seinen Vorsprung ausbauen.

Staatspräsident Sarkozy machte am Donnerstag im Wahlkampf möglicherweise falsche Behauptungen über seinen Kontrahenten François Hollande. Zuerst behauptete Sarkozy in einem Radio-Interview, der umstrittene Islamwissenschaftler Tariqu Ramadan habe zur Wahl Hollandes aufgerufen. Ramadan selbst dementierte dies umgehend. Zugleich widersprach der muslimische Rat Frankreichs (CFCM) der Behauptung von Sarkozys Partei UMP, 700 muslimische Gemeinden würden ebenfalls dazu raten, den Sozialisten Hollande ins Präsidentenamt zu befördern. Hollande warf Sarkozy daraufhin „Lügen und kalkulierte Verwirrung“ vor.

Sarkozy wirbt wegen der schlechten Umfragewerte offensiv um die Wähler der Front National, die beim ersten Wahldurchgang am vergangenen Sonntag mit knapp 18 Prozent überraschend zahlreich waren. Offenbar glaubt die UMP, sobald muslimische Bürger Hollande unterstützten, würden sich die FN-Wähler automatisch von ihm abwenden. Inzwischen haben mehrere UMP-Abgeordnete den „rechten Kurs“ von Sarkozy öffentlich kritisiert.

Aber auch auf einem anderen umkämpften Feld, der Europapolitik, vollzieht Sarkozy eine Kehrtwende. Die Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, einen Wachstumsvertrag für Europa zu schmieden, kam für Sarkozy denkbar ungelegen. Hollande hatte seit Monaten einen neuen europäischen Wachstumspakt und eine Erweiterung der Brüsseler Sparpolitik gefordert – und war dafür von Sarkozy gescholten worden, als jemand, der die Märkte verunsichere.

Nun muss Sarkozy kleinlaut in dasselbe Horn blasen. „Ein reiner Sparkurs ist ein großer Irrtum“, sagte Sarkozy in einem Radiointerview am Donnerstag. Er habe aber keine Wende vollzogen, sondern die „bisherige Politik noch erweitert“. Hollande hatte die Europa-Politik von Sarkozy daraufhin als „vollkommen verfehlt“ bezeichnet.

Mit Material von dpa und dapd