François Hollande liegt bei der Präsidentenwahl vor Nicolas Sarkozy. Bis zur Entscheidung am 6. Mai müssen beide neue Wähler gewinnen.

Paris. Wenige Stunden nach der Auszählung nahezu aller Stimmen hat in Frankreich der Wahlkampf für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen begonnen. Die beiden Sieger der ersten Tour am Sonntag, der Sozialist François Hollande und der amtierende konservative Präsident Nicolas Sarkozy, müssen nun die Anhänger der acht ausgeschiedenen Kandidaten überzeugen. Sie hatten zusammen knapp 50 Prozent der Stimmen erreicht.

Besonders das mit 17,9 Prozent überraschend gute Abschneiden der rechtsextremen Front National rief bei den Gewinnern heftige Reaktionen hervor. „Nicolas Sarkozy hat mit seiner verfehlten Regierung diese Wut-Wahl provoziert“, sagte Hollande. Sarkozy hingegen umgarnte die FN-Wähler mit der Aussage, sie seien von der internationalen Wirtschaftskrise betroffen und dafür habe er „großes Verständnis“.

Die Front National hat unterdessen ausgeschlossen, mit Nicolas Sarkozy über eine Wahlempfehlung zu verhandeln. „Wir sind die einzige unabhängige Opposition“, sagt der Vizechef der Partei, Louis Aliot, am Montagmorgen dem Radiosender France Info. Hollande und Sarkozy seien aus dem selben Holz geschnitzt und schadeten bei der französischen Nation.

Nach Auszählung fast aller Stimmen hat Hollande mit 28,63 Prozent die ersten Runde vor Amtsinhaber Sarkozy mit 27,18 Prozent gewonnen. Als Erstplatzierter der ersten Runde hat Hollande für die Stichwahl am 6. Mai die Nase klar vorne. Eine am Montag von der Zeitung „Le Parisien“ veröffentlichte Umfrage des Institutes BVA sieht ihn in zwei Wochen bei 53 Prozent gegenüber 47 Prozent für Sarkozy.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt weiter den Amtsinhaber. Das erklärte der Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Montag in Berlin. Seinen Angaben zufolge wird Merkel Sarkozy in den nächsten beiden Wochen bis zur Stichwahl jedoch nicht mit einem eigenen Auftritt zur Seite stehen. Dies hatte die CDU-Chefin ursprünglich geplant. Streiter versicherte, Merkel werde auch mit jedem anderen Präsidenten in Paris gut kooperieren. Die deutsch-französische Freundschaft sei unabhängig von den handelnden Personen. Traditionell arbeiteten die Staatsspitzen beider Länder eng zusammen.

+++ Leitartikel: Sonnenkönig in Not +++

In ihrer typischen Siegerpose, mit weit ausgestreckten Armen und einer donnernden Rede, feierte Marine Le Pen ihren überraschenden Erfolg. „Unser Kampf um Frankreich beginnt erst jetzt“, sagte sie am Sonntagabend vor ihren Anhängern. Die Spitzenkandidatin der rechtsextremen Front National hat nach allen ersten Prognosen einen historischen Sieg zwischen 18 und 20 Prozent der Stimmen errungen.

Damit hat sie noch das Ergebnis von 16,86 Prozent ihres Vaters Jean-Marie Le Pen 2002 übertroffen. Anders als vor zehn Jahren aber reicht dieser Stimmenanteil nicht aus, um die Front National in das entscheidende Duell am 6. Mai zu befördern. Dort werden sich der sozialistische Herausforderer François Hollande und der amtierende Staatspräsident Nicolas Sarkozy gegenüber stehen.

Marine Le Pen stilisierte sich bei ihrem Auftritt als „einzige Opposition Frankreichs“. Sie habe die beiden großen Parteien „der Banken und der Finanzvorstände“ explodieren lassen. Mit diesem Tag habe eine neue Ära der „Patrioten und der Liebe zu Frankreich“ begonnen.

Abermals haben die Umfragen die Front National falsch eingeschätzt: Das unerwartet hohe Ergebnis ihres Vater Jean-Marie Le Pen war bei der Wahl 2002 um mehr als drei Punkte unterschätzt worden, weil die Anhänger damals in Umfragen ihre wahre Absicht verschwiegen hatten. Vor zehn Jahren führte dies in den Augen der Franzosen zum „schwarzen Sonntag“ – die Linke war zersplittert und die Front National kam zusammen mit dem späteren Präsidenten Jacques Chirac in den zweiten Wahlgang. Chirac gewann dann letztendlich mit mehr als 82 Prozent eindeutig. Aber das Schreckgespenst, die Rechtsextreme wieder knapp hinter den etablierten Parteien zu sehen, ist in Frankreich wieder auferstanden.

Auch für Europa ist dies ein negatives Signal: Marine Le Pen hat im Wahlkampf vor allem Stimmung gegen „die Bürokraten in Brüssel“ und ihr „übles Spardiktat“ gemacht. „Das Ergebnis der Front National muss einen Aufschrei in diesem Land hervorrufen“, sagte der Sozialist Hollande am Wahlabend. Es sei ein Aufschrei derjenigen, die sich in Frankreich schlecht behandelt fühlten. „Ich bin der Kandidat, der alle vereinigen möchte.“ Für wen die FN-Wähler im zweiten Wahlgang stimmen werden ist allerdings noch unsicher.

Noch dazu sind die FN-Anhänger offenbar besonders schlechtVater bei historischem Sieg der rechtsextremen Front National in Frankreich einzuordnen: Auch bei der vergangenen Wahl 2007 waren die Prognosen für die FN falsch – damals überschätzen sie die Meinungsinstitute um drei Prozentpunkte. In diesem Jahr nun wurde sie weit unterschätzt und auf einen Anteil zwischen 14 und 16 Prozent taxiert. Das nächste Ziel der Front National werden nun die Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni sein. Marine Le Pen rief dazu auf, „das System erneut umzuwerfen“. Ihr Überraschungserfolg muss allerdings nicht unbedingt von Dauer sein: Auch ihr Vater Jean-Marie Le Pen hatte bei den Parlamentswahlen 2002 im zweiten Wahlgang nur knapp zwei Prozent der Stimmen erreicht.

Mit Material von dpa und dapd