Große Klassen, fehlende Disziplin und Motivation der Schüler sind für Pädagogen die wichtigsten Probleme. Misstrauen prägt Verhältnis zu den Eltern.

Berlin. Ob es um die Beantwortung vieler fachlicher Fragen geht, die wissbegierige Schüler täglich an sie stellen, wie man eine laute oder undisziplinierte Klasse in Zaum hält oder wie der Umgang mit Eltern am besten bewerkstelligt wird: Die Mehrheit der jungen Lehrer beklagt, dass sie durch Studium und Ausbildung nur unzureichend für ihren Beruf präpariert wurden. Das ist ein Ergebnis der Studie "Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik" des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Vodafone-Stiftung. Befragt wurde ein repräsentativer Querschnitt von Lehrern aller Schularten sowie der Bevölkerung.

Von jenen, die weniger als fünf Jahre im Schuldienst sind, fühlen sich nur 32 Prozent gut auf die Herausforderungen vorbereitet, in der Gruppe derjenigen mit bis zu 19 Jahren Erfahrung gar nur 26 Prozent. Immer häufiger wird das zweijährige Referendariat verkürzt, auf 18, in einigen Bundesländern sogar auf zwölf Monate. "Lernen" ist dann gar nicht mehr unbedingt der Schwerpunkt. Die jungen Lehrer müssen lehren, sind oft Ersatz für andere, deren Stellen nicht besetzt sind oder die vielfältige Gründe abhalten, selbst zu unterrichten. "Ein verkürztes Referendariat trägt sicher nicht dazu bei, das Gefühl, gut auf den Beruf vorbereitet zu sein, zu erzeugen", sagt Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes. Zusätzliche Praxiselemente im Studium könnten diesen Missstand nicht beheben.

Der Druck auf die Lehrer ist gestiegen, nicht nur in der Ausbildung, auch vor den Klassen. 49 Prozent aller Lehrer sagen laut Allensbach-Studie, dass der Unterricht und der Umgang mit Schülern im Vergleich zu der Zeit vor fünf bis zehn Jahren anstrengender geworden ist. Nur 22 Prozent sind der Meinung, alles sei weitgehend unverändert geblieben. Motivation der Schüler vermissen 35, Disziplin gar 44 Prozent. Zugenommen haben aus Sicht von 60 Prozent der Lehrer auch die Leistungsunterschiede zwischen Kindern aus verschiedenen sozialen Schichten. Am stärksten bemerken die Lehrer an Haupt- und Real- und Sekundarschulen die Veränderungen. Für viele Pädagogen verliert der Beruf an Attraktivität, weil immer mehr Aufgaben übernommen werden müssten, die eigentlich das Elternhaus angingen.

Auch sei der Umgang mit den Eltern schwieriger geworden, schwieriger übrigens als der mit den Schülern. Das Verhältnis Lehrer/Eltern ist geprägt von Misstrauen. So sind 53 Prozent der befragten Eltern der Meinung, die Lehrer gingen zu lasch mit den Schülern um. Viele Eltern sprechen sich für Leistungstests für Lehrer aus. 54 Prozent meinen, Schüler sollten ihre Lehrer regelmäßig bewerten, daran sollte sich dann auch die Bezahlung ausrichten.

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Vielleicht rührt das Misstrauen zwischen Eltern und Lehrern aber auch aus einem Missverständnis. Glaubt doch die Mehrheit der Pädagogen, dass das Ansehen ihres Berufs in der Gesellschaft mäßig ist. Je länger sie im Schuldienst sind, desto pessimistischer sind sie. Tatsächlich gehört der Beruf aber zu denen mit der höchsten Reputation überhaupt. 38 Prozent der Bevölkerung sagen, dass sie vor ihm die meiste Achtung hätten. Nur Polizisten, Krankenschwestern und Ärzte genießen noch mehr Anerkennung. Auch die Politik wird nicht müde, nach Jahren, in denen sie selbst mit unfreundlichen Äußerungen ("Faule Säcke", Gerhard Schröder) zum Ansehensverlust beigetragen hat, die Aufwertung zu fordern. Die Verleihung des deutschen Lehrerpreises im November in Berlin durch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nur ein Symbol für dieses Bemühen.

Nun wünschen sich die Lehrer nur noch mehr Taten. Allerdings nicht struktureller Natur. Der Umbau des Schulsystems lässt sie erschaudern. Als Hauptprobleme benennen sie große Klassen und Unterrichtsausfall. Da sind sie sich mit den Eltern sogar einig. 63 Prozent der Lehrer sagen, die Klassen an ihrer Schule seien zu groß. Es ist dies ein Problem vor allem weiterführender Schulen. 75 Prozent der Gymnasiallehrer sind dieser Meinung, aber nur 49 Prozent an Grundschulen. Auch der Unterrichtsausfall konzentriert sich vornehmlich an den Gymnasien. Schwerpunkte sind die Naturwissenschaften und Mathematik. Der Philologenverband geht davon aus, dass pro Schuljahr eine Million Unterrichtsstunden nicht nach Lehrplan gegeben werden. Zur Behebung dieses Missstands empfiehlt Heinz-Peter Meidinger eine integrierte Reserve: "In einem Kollegium mit 60 Lehrern sollten drei zusätzliche Pädagogen den Ausfall abdecken, der spontan eintritt."

Die Bundesländer wollen bisher von solchen Ideen kaum etwas wissen. Sie würden teuer, und Geld ist im Bildungsbereich noch immer knapp. Vielerorts setzt man stattdessen auf mobile Reserven. Lehrer, die von Schule zu Schule eilen, um Lücken zu schließen. In einigen Bundesländern ist der Lehrermangel ein selbst verursachtes Problem. So hat Sachsen über Jahre keine Lehrer ausgebildet. Berlin hat die Verbeamtung abgeschafft, und die ist vor allem jungen Lehrern sehr wichtig. 40 Prozent nennen Sicherheit ein entscheidendes Motiv für die Berufswahl. Seit einigen Jahren aber werden immer mehr "Experten" gehört, die behaupten, dass das Angestelltenverhältnis bessere Lehrer garantiere. Dass die dann rund 500 Euro netto weniger verdienen als ihre verbeamteten Kollegen steht auf einem anderen Blatt.

Die Arbeit mit Kindern ist für 80 Prozent die Hauptmotivation gewesen, Lehrer zu werden. Das, was Nichtlehrer als so furchtbar attraktiv finden, hat dagegen kaum 20 Prozent bewogen, sich für diesen Beruf zu begeistern: lange Ferien.