Bundesregierung beschließt neues Mandat, Opposition lehnt Ausweitung ab. Deutsche Reeder für härteres Vorgehen am Horn von Afrika.

Hamburg. Die beiden Sea-King-Hubschrauber an Bord der "Berlin" sind im engen Wortsinn bereits für die Aufgaben gerüstet, die zukünftig auf die deutschen Soldaten am Horn von Afrika zukommen. Sie sind gut 250 Kilometer pro Stunde schnell, können rund 750 Kilometer weit fliegen haben ein imposantes Maschinengewehr an Bord. Der Einsatzgruppenversorger "Berlin", der mit 230 Soldaten für die Bundesmarine derzeit den deutschen Dienst der EU-Mission "Atalanta" versieht, wäre bereits für das neue Mandat gewappnet, das das Bundeskabinett gestern beschlossen hat. Demnach sollen somalische Piraten bald auch an Land bekämpft werden können.

Bis zu 1400 deutsche Soldaten könnten dann auf Piratenjagd gehen - im Ausnahmefall auch auf somalischem Boden. Der neue Einsatzplan sieht vor, dass die Marine bis zu einer Tiefe von maximal 2000 Metern gegen "logistische Einrichtungen" der Piraten am Strand von Somalia vorgehen darf. Dafür kämen Luftoperationen beispielsweise mit Hubschraubern infrage. Dabei könnte es sich um Rettungsaktionen von Geiseln oder Soldaten, aber auch um zerstörerische Maßnahmen handeln, um die Aktionen der Piraten einzudämmen.

+++ Bundeswehr soll Piraten auch an Land bekämpfen +++

Dagegen regt sich im Bundestag Widerstand. Auch wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Mehrheit hat, um das neue Mandat im Mai durch das Parlament zu bekommen, ist sie doch um ein Einvernehmen mit SPD und Grünen bemüht. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen von einem großen Konsens getragen werden.

Und so wirbt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mit dem Argument des "nationalen Interesses". Westerwelle sagte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Deutschland als die größte Handelsnation in Europa beim Schutz unserer Seeleute, beim Schutz unserer Seefahrtroute wegduckt und dies anderen Europäern überlässt." Man sei sich in der EU einig, dass das Einsatzgebiet ausgeweitet werden müsse. Die Erweiterung des Einsatzgebietes werde die Piraterie zwar nicht stoppen können, aber deren Handlungsspielraum erheblich einschränken. "Es ist nicht nur das Recht Europas, gegen Piraterie vorzugehen, sondern auch die Pflicht."

Am Rande des Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel sagte der deutsche Ressortchef Thomas de Maizière (CDU): "Das ist eine kleine nützliche zusätzliche militärische Option, nicht eine neue Qualität." Wichtig sei, die Ursachen der Piraterie zu bekämpfen, ergänzte er.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte, die Regierung wolle mit einer Ausweitung der Einsätze den deutschen Konsens aufkündigen. "Die bisherige Mission droht umzuschlagen von einer Mission zur Sicherung internationaler Gewässer in einen Luft-Boden-Krieg." SPD-Fraktionsvize Gernot Erler meinte, Luftschläge gegen Piraten und die Einrichtung einer Küstenzone für Operationen in Somalia brächten Risiken für Soldaten und Zivilisten. "Man wird den Verdacht nicht los, dass die Bundesregierung - insbesondere in Person ihres Außenministers - sich diesmal als besonders treuer und zuverlässiger Bündnispartner exponieren möchte." Erler mutmaßte, die Ausweitung des "Atalanta"-Einsatzes sei ein Ausgleich dafür, dass sich Deutschland beim Nato-Einsatz in Libyen zurückgehalten habe.

+++ 200 Seeleute sind entführt +++

Dagegen lobte der Verband Deutscher Reeder: "Robuste, gezielte militärische Eingriffe sind notwendiger Teil der Gesamtstrategie, die friedliche Handelsschifffahrt effektiv zu schützen", sagte VDR-Geschäftsführer Max Johns dem Abendblatt. Eine langfristige Lösung der Piraterie könne nur erfolgen, wenn Somalia befriedet werde. "Kurzfristig geht es darum, weitere Geiselnahmen von Seeleuten möglichst frühzeitig zu verhindern. Dazu trägt das erweiterte Mandat bei."

Bei einigen Reedereien mit Schiffen auf Routen durch die Krisenregion am Horn von Afrika gibt es jedoch Unmut über die Bundesregierung. Noch immer fehlten gesetzliche Regelungen für Sicherheitspersonal an Bord, heißt es. Deshalb flagge man aus, um die Seeleute und die Fracht vor Piraten mit eigenen Wachleuten schützen zu können.

Gegen ein erweitertes Mandat für die Anti-Piraten-Mission haben sich auch die Hilfswerke Brot für die Welt und Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) ausgesprochen. "Die Ausdehnung der Mission auf das Land wird die Bevölkerung in Somalia als gegen sich gerichtete Gewalteskalation wahrnehmen", warnte EED-Vorstand Claudia Warning. Mit der Ausweitung der Mission spiele man Islamisten der al-Schabaab in die Hände und gefährde die humanitären Helfer im Land, erklärte die Direktorin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Sie forderte alternative Konzepte gegen die Piraten. Dazu gehöre das Eindämmen der Krise in Somalia, die viele Menschen zwinge, ihr Geld in der Illegalität zu verdienen.

Videos, Fotostrecken und Links zu Seekarten mit besonders von Piraten bedrohten Gebieten unter www.abendblatt.de/piraterie