Nach Rücktritt von Parteichefin Lötzsch: Immer mehr Führungskräfte der Partei fordern schnelle Entscheidung über Parteispitze.

Berlin. Als Gesine Lötzsch vor einer Woche ihren überraschenden Rücktritt vom Amt der Parteichefin bekannt gab, wollte sie sicher eines vermeiden: die Führungskrise der Partei Die Linke noch weiter zu verschärfen. Es kam dennoch so. Zum einen, weil der Kovorsitzende Klaus Ernst sich partout weigerte, über die neue Parteispitze vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu verhandeln. Zum anderen, weil immer unklarer wird, wer in Zukunft die aus WASG und PDS fusionierte, extrem heterogene Partei anführen soll.

Ein Mann und eine Frau, so viel ist klar, sollen ab dem Parteitag in Göttingen Anfang Juni die neue Parteispitze bilden. Ernsts Karten stehen dabei schlecht. Zu häufig wurde sein Führungsstil als zu stur, sein Lebensstil als zu luxuriös für glaubwürdige Linken-Verhältnisse kritisiert. Ob er trotzdem noch einmal antritt, hat er bisher offen gelassen. In manchen Westverbänden herrscht derweil eine freimütige Sehnsucht nach Oskar Lafontaine, der mit seiner Oppositionsarbeit im saarländischen Landtag als unterbeschäftigt gilt. Doch auch Lafontaine schweigt vielsagend. Dafür meldete sich seine Partnerin und Parteivize Sahra Wagenknecht zu Wort. Sie stellte klar, dass sie sich die künftige Parteispitze auch ohne Beteiligung des Reformflügels vorstellen kann. Nur in der erweiterten Führung müssten sich die Flügel widerspiegeln, sagte sie der "Zeit".

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Wagenknecht, die dem Radikalenflügel der Linken zugerechnet wird, plädierte außerdem für "Gesichter aus dem Westen" an der Parteispitze. Dort habe die Partei zuletzt die meisten Stimmen geholt. Ob dies als Angriff auf Bundestagsfraktionsvize Dietmar Bartsch, der sich um den Bundesvorsitz bewirbt, gemeint war? Bartsch zumindest nannte das Verfahren der Kandidatenfindung gestern "problematisch". Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sagte der "Berliner Zeitung", die Partei könne mit der Klärung ihrer offenen Führungsfrage unmöglich bis nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai warten. "Ich erwarte, dass diejenigen, die kandidieren wollen, ihre Karten jetzt offenlegen und ihre Kraft zugleich auf die Wahlkämpfe konzentrieren." Pau sagte, ein Hauruck-Verfahren zwischen Mitte Mai und dem Parteitag Anfang Juni sei "nach meinem Demokratieverständnis ausgeschlossen".

Auch Sachsen-Anhalts Linke-Fraktionschef Wulf Gallert widersetzte sich den Forderungen der Parteiführung, eine Führungsdebatte zu unterlassen. "Ich glaube, dass wir nicht bis zwei Wochen vor dem Bundesparteitag warten können, um diese Dinge für die Partei offenzulegen", sagte Gallert dem Radiosender MDR Info. Er würde sich wünschen, dass sich schon jetzt ein Duo öffentlich dazu bekenne, Verantwortung in der Partei zu übernehmen.