Die CSU und CDU wollen Brust-OPs und Fettabsaugungen bei Jugendlichen verbieten. Schönheitschirurgen kritisieren den Plan.

Berlin. Viele Eltern legen Geld für die Ausbildung ihrer Kinder zur Seite. Die Britin Sarah Burge machte Anfang des Jahres mit einem anderen Investment für ihre Tochter Schlagzeilen. Zu Weihnachten überreichte sie der erst sieben Jahre alten Poppy einen Gutschein über 7000 britische Pfund (rund 8500 Euro), der für eine Fettabsaugung gedacht ist, wenn Poppy 18 Jahre alt wird. Zum Geburtstag hatte das Mädchen vorher schon einen Gutschein für Brustimplantate bekommen, den sie zum 16. Geburtstag einlösen darf. "Ich unterstütze sie und erfülle ihr ihren Traum", sagte Mutter Sarah einer Zeitschrift. "Das Aussehen trägt viel dazu bei, wie sich unsere Zukunft entwickelt."

Nun ist die 51-jährige Sarah Burge, die sich selbst - nach zahlreichen Schönheitsoperationen - als "menschliche Barbie" präsentiert und in Talkshows und Klatschmagazinen zu sehen ist, sicher kein Maßstab, sondern ein Extrem. Gleiches gilt für Poppy, die in Interviews bekundete, sich sehr über ihr Geschenke zu freuen, und betonte: "Alle meine Freunde waren neidisch." Ob eine Siebenjährige die gesundheitlichen Risiken und Sinn oder Unsinn von Schönheitsoperationen für Teenager zu bewerten in der Lage ist, ist dabei zwar anzuzweifeln. Allerdings ist klar, dass - die jeweiligen Motive hin oder her - Jugendliche längst nicht mehr vor plastischen Eingriffen zurückschrecken.

+++ Union will Schönheits-OPs bei Minderjährigen verbieten +++

+++ Mehr Mut zum Makel +++

Vor allem in den USA: Im Jahr 2009 wurden nach Angaben der Amerikanischen Gesellschaft der Schönheitschirurgen ASPS rund 210 000 solcher Operationen an 13- bis 19-Jährigen durchgeführt. Damit diese Entwicklung nicht nach Deutschland überschwappt, fordern Gesundheitsexperten der Unionsfraktion im Bundestag nun ein Verbot von Schönheitsoperationen für Minderjährige. Aktuell können diese sich noch mit dem Einverständnis ihrer Eltern unter das Messer legen.

In einem Entwurf für ein Positionspapier, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: "Selbst bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist nicht sichergestellt, dass sich der Jugendliche der Reichweite seines Entschlusses bewusst ist. Es besteht die Gefahr, dass der jugendliche Charakter die Folgen nur schwer oder überhaupt nicht verarbeitet." Der Entwurf soll heute bei der Klausurtagung der Arbeitsgemeinschaft Gesundheit der Unionsfraktion diskutiert werden. Anlass ist ein neues Patientenrechtegesetz, das im Mai das Bundeskabinett passieren soll.

"Wir schützen Jugendliche bei Alkohol und Tabak vor sich selbst und vor gesundheitlichen Gefahren, da sollten wir sie auch vor unnötigen und nicht ungefährlichem OPs schützen", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), dem Abendblatt. Er ist an dem aktuellen Papier beteiligt. "Schönheitswahn sollten wir nicht schon bei Jugendlichen fördern", lautet seine Begründung für den Vorstoß.

Anders als in den USA sind die Zahlen zu den durchgeführten Schönheitsoperationen in Deutschland allerdings schwammig. Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), in der 99 Prozent der in diesem Feld tätigen Ärzte organisiert sind, zählte zuletzt im Jahr 2004 insgesamt 700 000 Eingriffe, von denen etwa 25 Prozent rein ästhetische Operationen waren. Auch die Unions-Abgeordneten um Spahn berufen sich auf diese Untersuchung. Sie führen als Argumentationsgrundlage für ihr Vorhaben an, dass zehn Prozent aller schönheitschirurgischen Eingriffe an unter 20-Jährigen durchgeführt wurden.

Kerstin van Ark, DGPRÄC-Sprecherin, hält dagegen: "Die genannten zehn Prozent umfassen sämtliche plastische Eingriffe, also etwa auch die Korrektur von Fehlbildungen der Hand oder die Therapie von Verbrennungsfolgen." Die Theorie, dass immer mehr Jugendliche den Schritt unters Messer wagen, sieht sie damit nicht gestützt. "Die Zahl der rein ästhetischen Operationen bei Minderjährigen, denen weder ein physischer noch einen psychischer Leidensdruck zugrunde liegt, bewegt sich im Promillebereich", sagte sie dem Abendblatt. Der Vorstoß der CDU/CSU sei eine "Luftnummer".

In einer 2011 durchgeführten Umfrage unter den Verbandsmitgliedern ergab sich laut van Ark bei den ästhetisch-plastischen Operationen ein Minderjährigen-Anteil von 1,16 Prozent. Ein großer Teil davon entfalle auf das Anlegen abstehender Ohren, erst mit weitem Abstand folge etwa die Nasen-OP. Der Anteil der Brustvergrößerungen bei Minderjährigen habe sich auf 0,069 Prozent belaufen.

Gegen ein Verbot sträubt sich der Verband nicht. Sollte es tatsächlich kommen, sei es aber wichtig, "dass psychologisch indizierte Eingriffe weiterhin möglich sind", so van Ark. "Wenn ein Kind unter abstehenden Ohren leidet, sollte es auch unter 18 Jahren möglich sein, dieses zu beheben. Es muss sichergestellt werden, dass solche Fälle vom Verbot ausgenommen werden. Denkbar wäre die verpflichtende Einführung eines psychologischen Gutachtens." Nach Spahns Vorstellung sollen jene Eingriffe weiterhin möglich sein, die die Krankenkasse aufgrund medizinischer Notwendigkeit finanziert.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kommentierte den Vorstoß aus den Reihen des Koalitionspartners gestern nicht. Solange das Papier nicht offiziell vorliege, könne es inhaltlich nicht bewertet werden, sagte ein Sprecher auf Abendblatt-Anfrage.

Ob das geforderte Verbot überhaupt Aussicht auf Erfolg hat, ist ohnehin unklar. Bereits in den Jahren 2008 und 2010 hatte es ähnliche Initiativen aus der Politik gegeben, damals waren unter anderem verfassungsrechtliche Bedenken laut geworden: So würde das im Grundgesetz gewährleistete Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über seinen Körper mit dem staatlichen Auftrag zur Abwehr von Gesundheitsgefahren kollidieren, argumentierten Juristen damals.