Die Kosten könnten die Planungen weit überschreiten. Der Steuerzahlerbund fordert die Bundesregierung auf, das Projekt aufzugeben.

Berlin. Selten sind die Machtworte der Bundeskanzlerin und ihres Fraktionschefs derart verhallt wie in diesem Fall: Das Betreuungsgeld soll ohne Wenn und Aber eingeführt werden - so hatten es Angela Merkel und Volker Kauder am Montag klar kommuniziert. Doch in der CDU geht der Streit um die milliardenschwere Förderung weiter.

Nachdem mit dem Wandsbeker Jürgen Klimke ein weiterer CDU-Abgeordneter öffentlich Nein zum Betreuungsgeld gesagt hatte, schlug der CDU-Haushaltpolitiker Norbert Barthle vor, das Betreuungsgeld später als 2013 einzuführen. "Die Erfahrung lehrt uns, dass bei einer neuen Leistung die angesetzte Kostenschätzung im Laufe der Zeit häufig überschritten wird", sagte er der "tageszeitung". Er könne sich vorstellen, die Leistung zu beschließen, "sie aber später als jetzt geplant auszuzahlen". Noch plant die Koalition, ab 2013 zunächst 100 Euro für Kinder im zweiten Lebensjahr zu zahlen, wenn die Eltern zu Hause die Betreuung übernehmen. Von 2014 an soll es 150 Euro für zwei- und dreijährige Kinder geben. Zunächst sind 400 Millionen Euro für 2013 eingeplant, ab 2014 dann rund 1,2 Milliarden Euro.

+++ Kommunen und Arbeitgeber lehnen Betreuungsgeld ab +++

Neben den Gegnern des Betreuungsgeldes formieren sich in der CDU die Kritiker der geplanten Auszahlung in bar. Der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Jost de Jager sagte in Kiel: "Wir plädieren für eine bessere Altersversorgung für Erziehende und lehnen eine Bargeldauszahlung ab." Mit einer höheren Anrechnung der Erziehungszeiten bei der Altersvorsorge würde man Eltern mehr helfen. "Denn das Problem ist, dass Eltern, vor allem Mütter, während der Erziehungszeiten eine ungenügende Altersvorsorge betreiben können." Der CDU-Rentenexperte Peter Weiß sprach sich auch für eine zusätzliche Rentenleistung aus. Damit könne man am besten dokumentieren, dass die Erziehung von Kindern zu Hause auch Arbeit sei, sagte Weiß.

Gegenwind kam obendrein aus einem der mächtigsten Landesverbände - dem aus Baden-Württemberg. Landeschef Thomas Strobl sagte der dpa, der Gesetzentwurf werde aus dem Bundestag anders herauskommen, als er hereinkomme. Strobl kann sich gut vorstellen, den Streit über eine bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung zu lösen.

Der Bund der Steuerzahler forderte die Bundesregierung auf, auf das geplante Betreuungsgeld gänzlich zu verzichten. Hauptgeschäftsführer Reiner Holznagel kritisierte die Maßnahme im Abendblatt als "weiteres Ausgabenfass ohne Boden". Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes werden die jährlichen Mehrausgaben für das Betreuungsgeld vom Jahr 2013 an wegen des geringen Angebots an Kita-Plätzen höher ausfallen als geplant.

+++ "Rebellion" gegen Betreuungsgeld spaltet die Union +++

Holznagel sagte, ähnlich wie beim Elterngeld sei auch beim Betreuungsgeld zu befürchten, dass die Haushaltsansätze unterfinanziert sein werden und stetig nach oben korrigiert werden müssen. Zudem sei die Gegenfinanzierung ab 2014 noch unklar, sodass ein Anstieg der Neuverschuldung zu befürchten sei. Holznagel betonte: "Ein Verzicht auf das Betreuungsgeld erscheint daher auch wegen der Generationengerechtigkeit geboten."

Holznagel rechnet damit, dass der Staat sein Versprechen, ab August 2013 allen Kleinkindern einen Kita-Platz zur Verfügung zu stellen, nicht einhalten kann. Mit dem Betreuungsgeld sollten Eltern daher besänftigt werden, kritisierte er. "Hier sollte die Bundesregierung den Eltern jedoch reinen Wein einschenken und ihr Versprechen beziehungsweise den Rechtsanspruch zurücknehmen."

Dass die Kosten deutlich höher ausfallen könnten als bislang angenommen, hat auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW/Mannheim) errechnet. Das Institut geht von rund zwei Milliarden Euro jährlich aus. Nach Angaben der "Financial Times Deutschland" könnten jährlich Eltern von rund 1,1 Millionen Kindern die geplante Barzahlung in Anspruch nehmen, rund 445 000 mehr als nach Kalkulation der Koalition.