Arbeitgeber-Präsident Hundt hält das geplante Betreuungsgeld für unsinnig. Deutsche Kommunen fordern ebenfalls Verzicht auf das Projekt.

Der Widerstand gegen das Betreuungsgeld wächst auch nach der Ankündigung von Kanzlerin Merkel (CDU), das geplante Gesetz durchsetzen zu wollen. Für unsinnig hält Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt das Vorhaben. „Das Betreuungsgeld ist nach meiner Überzeugung grundverkehrt. Ich hoffe sehr, dass die Koalition von diesem unsinnigen Vorhaben Abstand nimmt“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Die SPD sieht die schwarz-gelbe Koalition unterdessen wegen des Streits um Betreuungsgeld und Pendlerpauschale zunehmend handlungsunfähig.

+++Merkels Machtwort: Das Betreuungsgeld kommt!+++

Hundt sagte, die Leistung sei teuer und setzte Anreize dazu, nicht zu arbeiten. Zudem bestehe die Gefahr, dass gerade Kinder davon nicht profitierten, für deren Entwicklung dies besonders wichtig wäre, meinte Hundt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verlangte ebenfalls, auf das Projekt zu verzichten. „Solange der Ausbau der Kindergartenplätze nach wie vor unterfinanziert ist, sollten zusätzliche Mittel besser dafür eingesetzt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg „Handelsblatt Online“. Für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bis August 2013 fehlten noch über 200.000 Plätze.

Die Kosten für das Betreuungsgeld werden nach Berechnungen von Experten deutlich höher ausfallen als bislang eingeplant. Nach Angaben der „Financial Times Deutschland“ (Dienstag) könnten jährlich Eltern von rund 1,1 Millionen Kindern die geplante Barzahlung in Anspruch nehmen – rund 445 000 mehr als nach der Kalkulation der Regierung. So gehe das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW/Mannheim) von Kosten in Höhe von rund 2 Milliarden jährlich aus, da nicht genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stünden. Zu diesem Ergebnis komme auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin).

+++Was der Staat für Familien ausgibt+++

Die Regierung veranschlagt bislang für 2013 Ausgaben in Höhe von 400 Millionen Euro. 2014 stehen dann 1,2 Milliarden bereit. Davon könnten im ersten Jahr 333 000 Familien finanziert werden, im zweiten 666.000 Familien. Die monatliche Leistung für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen, soll nach den Plänen von CDU/CSU ab 2013 zunächst 100 Euro und ab dem folgenden Jahr 150 Euro monatlich betragen.

Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums ist noch offen, ob das vor allem von der CSU geforderte Betreuungsgeld im Bundesrat zustimmungpflichtig ist. Dies hänge von dem genauen Inhalt des erst für den Sommer angekündigten Gesetzentwurfs ab, erklärte Sprecher Christoph Steegmans. Falls die Neuregelung zur Folge hätte, dass die Länderverwaltung etwa personell aufgestockt werden müsse, könne eine Zustimmung notwendig werden. In einem solchen Fall könnten die SPD-geführten Länder das Projekt zur Fall bringen.

Auch aus den Reihen von Schwarz-Gelb kam neue Kritik. „Das Betreuungsgeld passt nicht in die Zeit“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring der „Passauer Neuen Presse“. „Wenn die Union dieses Projekt aufgibt, werden wir nicht im Wege stehen.“ Der CDU-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, Jost de Jager, wandte sich gegen eine Barauszahlung. Eine solche Kursänderung lehnte die Vize-Generalsekretärin der CSU, Dorothee Bär, in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ strikt ab.

Die Vorsitzende der Frauen in der Unions-Fraktion, Rita Pawelski (CDU), warb in der Berliner „Tageszeitung“ für einen Kompromiss: „Eine Lösung wäre, das Betreuungsgeld nicht ausschließlich bar auszuzahlen. Der Staat könnte alternativ dem Elternteil, das zu Hause bleibt, nachhaltige Hilfen finanzieren.“ Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel hatte am Montag über Regierungssprecher Steffen Seibert deutlich gemacht, dass sie an der Koalitionsvereinbarung zum Betreuungsgeld festhalten will. Auch die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer (CDU), pochte auf Einhaltung der Koalitionsabsprachen. „Nachdem sowohl die CDU als auch der Koalitionsausschuss die Einführung eines Betreuungsgeldes beschlossen haben, geht es jetzt nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“, sagte sie der „Rheinischen Post“.

Sozialdemokraten sehen die Regierungskoalition wegen des Streits um Pendlerpauschale und Betreuungsgeld zunehmend handlungsunfähig. „Merkels Machtworte verhallen im Chaos der Koalition“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin. „Bei der Pendlerpauschale widerspricht ihr der eigene Parteivize.“ Norbert Röttgens Manöver zeige: „In Merkels Koalition kämpft nur noch jeder gegen jeden auf eigene Rechnung.“ Umweltminister Röttgen ist CDU-Spitzenkandidat für die Wahl am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen und kann sich anders als Merkel eine Erhöhung der Pauschale von 30 Cent wegen der Benzin-Rekordpreise vorstellen. Auch die FDP dringt auf eine Anhebung. Gegen das Betreuungsgeld gehe sogar die eigene Fraktion auf die Barrikaden, betonte Oppermann. „Die Halbwertzeit von Kompromissen in dieser Koalition wird immer kürzer“, kritisierte der SPD-Politiker.

Mit Material von dpa