Die Linksfraktion im Bundestag sprach von einer zunehmenden sozialen Spaltung und bekräftigte ihre Forderung nach einem Mindestlohn.

Wiesbaden. Die Gefahr, in Armut abzurutschen, ist in Deutschland höher als in den meisten Nachbarländern. Hierzulande sind 15,6 Prozent oder fast 13 Millionen der Menschen armutsgefährdet, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. In den Nachbarstaaten Tschechien, Niederlande und Österreich liegt die Quote teils deutlich niedriger. Die Linksfraktion im Bundestag sprach von einer zunehmenden sozialen Spaltung und bekräftigte ihre Forderung nach einem Mindestlohn.

Die Bundesrepublik steht jedoch im EU-Vergleich recht gut da, denn europaweit betrug die Armutsgefahr durchschnittlich 16,4 Prozent. Die aktuellsten Zahlen stammen bereits aus dem Jahr 2009.

Armutsgefährdet ist laut Definition, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnitts verdient – dies schließt auch Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld ein. Der Schwellenwert unterscheidet sich von Staat zu Staat je nach Lebensstandard. In Deutschland muss man mindestens 940 Euro Einkommen pro Monat erhalten, um nicht als von Armut bedroht zu gelten.

+++ Kleinkinder sind im Norden besonders von Armut bedroht +++

Nachbar Tschechien überflügelt Bundesrepublik

Am dortigen Standard gemessen waren beim europaweiten Spitzenreiter Tschechien nur neun Prozent der Bürger von Armut bedroht. Auch in den benachbarten Niederlanden waren es nur knapp über zehn Prozent, in Österreich rund 12 Prozent.

Die Armutsgefahr ist in Deutschland über die Jahre leicht gestiegen, wie bereits zuvor bekannt war. Während 2007 noch 15 Prozent als armutsgefährdet galten, stieg der Wert 2008 auf 15,5 Prozent und nun abermals auf 15,6 Prozent.

Seit 2005 gebe es 2,6 Millionen mehr von Armut gefährdete Deutsche, sagte die Sozialpolitikerin der Linken im Bundestag, Diana Golze. Die Politik der Bundesregierung verschärfe die Probleme. Sie forderte unter anderem einen Mindestlohn für alle Branchen und höhere Regelsätze bei Hartz IV. "Das Geld gehört zu den Menschen, die damit nicht die Finanzmärkte füttern, sondern sich selbst und ihre Kinder“, sagte Golze.

Einkommensverteilung gerechter als im EU-Durchschnitt

Auch die Einkommen waren den Angaben zufolge in Deutschland 2009 etwas gerechter verteilt als europaweit. Während hierzulande die 20 Prozent der am besten verdienenden Menschen viereinhalbmal so viel verdient wie die Gruppe der Einkommensschwächsten, bekamen sie im EU-Durchschnitt fünfmal so viel.

Die Einkommen waren vor allem in jenen Staaten ungerecht verteilt, in denen auch die Armutsgefährdung hoch war. Den Negativrekord stellte Litauen auf. Dort bekamen Spitzenverdiener mehr als siebenmal so viel wie Einkommensschwache. Der deutsche Wert veränderte sich im Vergleich zum Vorjahr nicht.