Die häufigste Frage, die man in Polen zu hören bekommt, wenn jetzt von Joachim Gauck die Rede ist, lautet: "Ist der denn eigentlich noch Pfarrer?" Polens katholische Kirche hat großen Einfluss, aber dass Geistliche ganz offiziell zu Politikern werden, wie seit dem deutschen Wendeherbst üblich, ist ungewohnt. Eine andere Frage bekam Gauck nach seinem Vortrag an der Universität Lodz vor drei Wochen direkt gestellt: Was es bedeute, wenn zwei "Ossis" den Staat lenkten und ob das nicht den Unmut mancher "Wessis" erregen könne. Die DDR-Bürger waren in Polen alles andere als beliebt, was freilich auf Gegenseitigkeit beruhte.

Doch dass Gauck alles andere als der typische DDR-Bürger war, hat sich bereits herumgesprochen. Ebenso, dass er die Stasi-Unterlagen-Behörde leitete, nach deren Vorbild in Polen und anderswo vergleichbare Institutionen geschaffen wurden. Grundsätzlich herrscht ein sehr positiver Grundton: Gauck, der Gebildete, der Theologe, der Bürgerrechtler - und der Kenner und Freund Polens, der nach 1989 oft im Land gewesen ist.