Aus Angst vor Finanzlöchern sollen Versicherte nicht entlastet werden. Aus Schleswig-Holstein kommt ein Vorschlag zur Abschaffung der Praxisgebühr.

Berlin/Hamburg. In der Bundesregierung ist ein Streit über die Milliarden-Reserven der gesetzlichen Krankenversicherung entstanden. Während Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von den 14 Milliarden Bundeszuschuss an die Kassen zwei Milliarden einbehalten will, pocht Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf die volle Summe. Die Reserve weckt die Begehrlichkeiten des Bundeskassenwarts, der damit drohende Haushaltslöcher stopfen könnte.

Allerdings werden mit dem Bundeszuschuss die Milliardenbeiträge der Versicherten ergänzt, um die Behandlungskosten bei Ärzten oder im Krankenhaus zahlen zu können sowie die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern. Gesundheitsminister Bahr hatte bereits klargemacht, dass trotz der Reserven der Beitragssatz von 15,5 Prozent vom Bruttogehalt bleibt. Davon zahlen Arbeitgeber 7,3, Arbeitnehmer oder Rentner 8,2 Prozent. Zu groß sei die Gefahr, dass wegen der steigenden Kosten im Gesundheitswesen sich wieder ein Finanzloch bei den Kassen auftut, so Bahr.

Bahr regte aber an, dass die Kassen Prämien an ihre Versicherten auszahlen, falls sie große Überschüsse erwirtschaftet haben. Das lehnen fast alle Kassen ab. Von den Reserven profitieren die Versicherten also nicht direkt. Allerdings zahlt die Bremer hkk eine jährliche Prämie von 60 Euro aus. Kommen die Krankenkassen mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht aus, müssen sie Zusatzbeiträge erheben, meist acht Euro pro Monat. Von April an wird keine Krankenversicherung mehr die Extraprämie verlangen. Kassen wie die Techniker garantieren, bis einschließlich 2014 keinen Zusatzbeitrag zu erheben. Gesundheitsfonds und Zusatzbeiträge waren politisch ersonnen worden, um alle Kassen finanziell gleichzustellen. Damit sollte Versicherten gezeigt werden, dass möglicherweise die Kassen mit einem Zusatzbeitrag nicht so gut wirtschaften wie die ohne. Der Zusatzbeitrag hat dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen sich Fusionspartner suchten und dass Millionen ihre Krankenversicherung wechselten.

+++ Kommentar: Krankes Kassen-System +++

Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle regte einen dauerhaft abgesenkten Zuschuss zum Gesundheitsfonds an. "Es ist nicht sinnvoll, wenn der Fonds über deutlich mehr Reserven als gesetzlich erforderlich verfügt und diese über eine höhere Neuverschuldung des Bundes finanziert werden", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Angesichts der nationalen und europäischen Schuldenbremsen müsse die Koalition sehr genau prüfen, ob Einsparungen des Bundes möglich seien.

Der Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbandes vdek, Thomas Ballast, sagte: "Die Steuerzuschüsse sind anteilig zweckgebunden für den Sozialausgleich im Falle von Zusatzbeiträgen eingeführt worden. Wenn die Krankenkassen wieder gezwungen sind, Zusatzbeiträge zu erheben, fehlt dann das Geld, um den Sozialausgleich zu realisieren." Es zeige sich, dass das ganze Modell von Einheitsbeitrag, Zusatzbeiträgen und Steuerzuschüssen "höchstgradig störanfällig" sei.

Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) sprach sich unterdessen für eine Abschaffung der Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal aus. "Sie ist bürokratisch aufwendig, systemisch unsinnig und greift den Bürgern jedes Quartal direkt ins Portemonnaie", sagte Garg.