Laut ZDF-Politbarometer plädieren 48 Prozent der Bundesbürger für einen Rücktritt des Staatsoberhauptes - doch Merkel steht eisern hinter Wulff.

Berlin. Die Debatte um den angeschlagenen Bundespräsidenten gewinnt wieder an Schärfe - aber eine hält demonstrativ zu Christian Wulff: CDU-Parteifreundin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe volles Vertrauen in den Präsidenten und seine Amtsführung, sagte Merkel in einem Interview der „Ruhr“-Nachrichten vom Freitag. Zwei Monate nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gerät Wulff wegen seiner Beziehungen zu reichen Unternehmern erneut unter Druck. Am Donnerstag wurde Wulff mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Für 77 Prozent der Bundesbürger ist der Ruf des Bundespräsidenten laut ZDF-Politbarometer dauerhaft beschädigt.

Laut Umfrage waren nur 21 Prozent gegenteiliger Ansicht. Für einen Rücktritt von Wulff plädierten 48 Prozent, 46 Prozent wollen ihn weiter im Amt sehen. Allerdings glauben nur 28 Prozent, dass Wulff in nächster Zeit seinen Hut nimmt, 67 Prozent erwarten das nicht. Aus Sicht vieler Bürger hat der Wirbel um Wulff auch dem Amt als solchem geschadet. Für 49 Prozent hat es letzter Zeit an Bedeutung verloren. Für 40 Prozent hat sich dies nicht geändert. 72 Prozent der Deutschen sagen gleichwohl, für sie habe das Amt grundsätzlich eine hohe Wichtigkeit.

Am Mittwoch hatte die "Bild“- Zeitung über einen Urlaub Wulffs mit dem Filmunternehmer David Groenewold auf Sylt berichtet. Groenewold bezahlte zunächst die drei Übernachtungen in einem Luxushotel – nach Angaben seines Anwalts beglich Wulff die Kosten von 774 Euro aber in bar. Später hat Groenewold in dem Hotel eine Kopie der Rechnung gefordert und um Diskretion gebeten.

Kanzlerin Merkel sagte den "Ruhr Nachrichten“ (Freitag), Wulff werde sein Amt als Bundespräsident weiter "zum Wohl unseres Landes“ ausfüllen. "Der Bundespräsident hat Transparenz geschaffen, er hat Hunderte von Fragen beantwortet und auch zu sehr privaten Vorgängen Auskunft gegeben. Diese Offenheit kann meines Erachtens Vertrauen zurückgewinnen helfen“, sagte Merkel.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält die Amtszeit Wulffs dagegen für gescheitert. Sie sagte der "Bild“-Zeitung (Freitag): "Die Präsidentschaft von Herrn Wulff ist so oder so beendet.“ Wenn er im Amt bleibe, hingen die "Gefälligkeiten reicher Freunde wie Blei an der moralischen Instanz unseres höchsten Staatsamtes. Wir werden dann bis 2015 ohne Präsident auskommen müssen.“

Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister lehnt es unterdessen ab, das Verhalten seines Vorgängers und heutigen Bundespräsidenten zu kommentieren. Gleichzeitig gibt er sich aber demonstrativ bescheiden, was die Frage von Vergünstigungen im Amt angeht. "Aus Respekt vor dem Amt und der Verfassung beteilige ich mich - wie viele andere auch - grundsätzlich nicht an der öffentlichen Debatte über den Bundespräsidenten“, sagt der CDU-Politiker der "Welt“ (Freitag).

Zum Umgang der Landesregierung mit den Vorwürfen gegen Wulff und seinen Ex-Sprecher Glaeseker sagte McAllister: "Aufgabe der Landesregierung ist es, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären, alle parlamentarischen Anfragen und alle Medienanfragen zu beantworten und die Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zu unterstützen.“ Darüber hinaus gebe es eine von der Landesregierung angeregte Sonderprüfung des Landesrechnungshofs in Sachen Nord-Süd-Dialog.

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Wulff steht seit Mitte Dezember massiv in der Kritik. Dabei ging es zunächst um einen günstigen Privatkredit über 500.000 Euro von einer Unternehmergattin, dann um kostenlose Urlaube bei vermögenden Freunden, später auch um die "Nord-Süd-Dialog“ genannten Veranstaltungen des Eventmanagers Manfred Schmidt, deren "Schirmherr“ Wulff als Ministerpräsident in Niedersachsen war. Gegen seinen früheren Sprecher Olaf Glaeseker ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.

Am Montag reist Wulff zu einem dreitägigen Aufenthalt nach Italien. Stationen sind Rom, Mailand und Bari. Es ist sein erster Staatsbesuch seit Beginn der Affäre vor zwei Monaten. Im Mittelpunkt des Besuchs stehen Wirtschaftsthemen.

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki sagte dem Südwestrundfunk (SWR), Wulff müsse "entscheiden, wie lange er das sich selbst und seiner Familie noch antun“ wolle. Für den Bundespräsidenten gelte zwar die Unschuldsvermutung genau so wie für jeden anderen Menschen. Aber die Vorstellung, dass Wulff das Geld für seine Übernachtungskosten beim Auschecken aus dem Hotel dem Filmunternehmer in bar überreiche und die Nebenkosten mit der Kreditkarte bezahle, sei "lebensfremd“ und „extrem unwahrscheinlich“.

Unter dem Motto "Wulff den Stuhl vor die Tür stellen – Shoe for you, Mr. President“ ist für diesen Samstag eine Protestkundgebung vor Wulffs Amtssitz Schloss Bellevue geplant. Die Veranstalter erwarten etwa 500 Teilnehmer, teilte die Polizei mit. Die Demonstranten wollen in der Nähe des Schlosses auch einen überdimensionalen Stuhl aufbauen. Dies soll als Aufforderung an Wulff verstanden werden, zurückzutreten und nicht länger an seinem Stuhl zu kleben. Bereits Anfang Januar hatten etwa 400 Demonstranten Wulff Luft spöttisch den Schuh gezeigt. In der arabischen Kultur wird mit dieser Geste Ärger und Verachtung zum Ausdruck gebracht.

Der Filmunternehmer David Groenewold ist angeblich nicht auf eigene Veranlassung nach Sylt gereist, um Belege über den gemeinsamen Urlaub mit Wulff zu erhalten. Groenewolds Anwalt Christian-Oliver Moser sagte dem Berliner "Tagesspiegel“ (Donnerstag) er habe Groenewold geraten, sich die Hotelquittung zu besorgen: „Wir wollten die Situation von damals auf Sylt aufklären und dokumentieren, falls es weitere Anfragen der Presse dazu gibt.“

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Die niedersächsische Landesregierung hat einem Unternehmen des Filmfinanzierers Groenewold nach dpa-Informationen 2006 eine Landesbürgschaft in Höhe von fünf Millionen Euro gewährt. Die in Hannover gegründete get lost films GmbH habe die Bürgschaft aber nicht in Anspruch genommen.

Für die von Groenewolds Medienfonds German Filmproductions GFP kofinanzierten Filme "Das Wunder von Lengede“ und "Tsunami“ gab es allerdings auch Geld vom Land. Der Sprecher der Staatskanzlei in Hannover bestätigte, dass insgesamt vom Land Niedersachsen gut zwei Millionen Euro für die Filme geflossen seien. In Wulffs Amtszeit war die Zuständigkeit für die Filmförderung vom Wirtschaftsministerium in die Staatskanzlei gewechselt.

Die Staatskanzlei sieht auch wegen einer günstigen Auto- Leasingrate für Wulff keinen Verstoß gegen Vorschriften oder Gesetze. Zudem hätten auch die früheren SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel zu diesen Konditionen Autos des VW-Konzerns geleast, teilte die Staatskanzlei in Hannover am Donnerstag mit.

Nach einem "Spiegel“-Bericht leaste Wulff 2010 beim VW-Konzern einen Mini-Geländewagen Yeti der Tochtergesellschaft Skoda zu Konditionen, die sonst nur Beschäftigte des Konzerns erhalten – und auch Mitglieder des Aufsichtsrates. Nach Angaben des Magazins lag die monatliche Leasingrate bei 1 Prozent vom Neuwagenpreis statt der üblichen 1,5 Prozent.

Mit Material von dpa und dapd