Flensburger Sünderkartei für Autofahrer soll umgekrempelt werden. Neue Regeln für Entzug der Fahrerlaubnis und Verjährung.

Berlin. Weniger Punkte je Vergehen, aber auch weniger Punkte bis zum Verlust des Führerscheins - wer die Pläne des Bundesverkehrsministers für die Reform der Flensburger Kartei auf den Punkt bringen will, landet bei dieser Formel. Das System soll "gestaucht und geschrumpft" werden. Bisher gibt es einen komplizierten Katalog: Ordnungswidrigkeiten ab einem Bußgeld von 40 Euro werden mit einem bis vier Punkten bewertet, für Straftaten kommen fünf bis sieben Punkte in die Kartei.

Verkehrssünder sollen ihren Führerschein künftig schon bei acht Punkten abgegeben müssen - bisher droht dieser Schritt erst bei 18 Punkten. "Die Grenze von 18 auf 8 runter, das klingt erst einmal drastisch. Doch auch insgesamt wird die Punkteskala verkürzt. Bei Vergehen, bei denen es bisher bis zu drei Punkte gab, gibt es in Zukunft nur noch einen", sagte Ramsauer im ZDF. Die Kartei, in der zuletzt rund neun Millionen Bürger mit Straftaten und schweren Ordnungswidrigkeiten am Steuer registriert waren, soll auf den Prüfstand. Das hatten Union und FDP schon im Koalitionsvertrag 2009 angekündigt. Ramsauer (CSU) will nun bis Ende Februar Eckpunkte präsentieren - Genaues ist noch im Unklaren.

+++ Info: Punkte in Flensburg +++

Die "Bild"-Zeitung und die Zeitschrift "Autobild" berichteten, "grobe" Verkehrsverstöße wie etwa zu schnelles Fahren sollten künftig generell nur noch mit einem Punkt bestraft werden statt mit bis zu drei Punkten. "Schwere" Delikte wie das Fahren über eine rote Ampel sollten mit zwei Punkten geahndet werden statt mit drei bis sieben. Zudem sollten die Einträge im Zentralregister künftig einzeln verjähren: Ein-Punkt-Delikte nach zwei und Zwei-Punkte-Delikte nach drei Jahren. Bislang wird die Punkte nur los, wer sich binnen zwei Jahren keiner weiteren Vergehen schuldig macht - sonst werden die Punkte immer weiter mitgeschleppt. CSU-Politiker Ramsauer sagte: "Ich will das einfacher, transparenter machen, handhabbarer halten. Jeder muss selbst mit dem System zurechtkommen, ohne dass er einen Experten zurate zieht." Der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat die Reformpläne zur Vereinfachung der Verkehrssünderdatei konkretisiert. "Das Leitmotiv für die Punktevergabe muss die Gefahr für Leib und Leben sein", sagte Döring dem Abendblatt. Ordnungswidrigkeiten, die keine Menschen gefährden, sollten daher immer geringer bestraft werden als solche, die Menschen in Gefahr bringen, betonte er. Der FDP-Politiker, der auch im neuen Amt verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion bleibt, kündigte schneller greifende Strafmaßnahmen gegen lernunwillige Fahrer an: "Wichtiger Teil der Reform ist, dass Autofahrer, die immer wieder den gleichen Fehler in einem bestimmten Zeitraum begehen, schneller zur Nachschulung müssen oder mit Strafmaßnahmen belegt werden."

+++ Leitartikel: Reform für Raser +++

Döring kritisierte, dass das bisherige System "sehr unter seiner Intransparenz" leide. "Die Regelungen sind so ausgewuchert, dass es Autofahrern schwerfällt, hier den Überblick zu behalten", monierte er. Zugleich lobte der Verkehrsexperte, dass nach der Reform jeder Autofahrer sein eigenes Punktekonto im Kopf führen könne. Dazu sei er bei dem bisherigen System nicht in der Lage.

Die Versicherungsbranche hält die Stoßrichtung für gut. Studien belegten, dass nicht die Punktezahl entscheidend für die Ermittlung notorischer Verkehrssünder sei, sondern die Zahl der Delikte. Juristen sehen dagegen auch Nachteile: "Es erscheint höchst problematisch, wenn zur Verwaltungsvereinfachung kleine Nachlässigkeiten eines ansonsten verantwortungsbewussten Autofahrers mit dem bedenkenlosen Fehlverhalten von Verkehrsrowdys gleichgesetzt werden", sagt Oskar Riedmeyer, Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins.

Kritik an den Reformplänen der Koalition gab es von der Gewerkschaft der Polizei. Der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut erklärte in Berlin: "Eine wirksame Verbesserung der Verkehrssicherheit wird nicht dadurch erreicht, dass ein funktionierendes und in der Bevölkerung akzeptiertes System auf den Kopf gestellt wird." Sicherere Straßen bekomme man vor allem durch eine konsequente Überwachung der dort geltenden Regeln. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), nannte Ramsauers Reformpläne "reine Symbolpolitik". Ramsauer wolle einfach nur öffentliche Aufmerksamkeit erregen, sagte Hofreiter der WAZ-Mediengruppe.