Die vierköpfige Bund-Länder-Kommission berät über die Folgen aus den Neonazi-Morden. Ex-Innensenator Vahldieck gehört zu den Experten.

Berlin. Seine Karriere in der ersten Reihe der Politik war von kurzer Dauer. Im Amt des Hamburger Innensenators verblieb der CDU-Politiker Heino Vahldieck nur von August 2010 bis März 2011. Dann folgte der Regierungswechsel und für Vahldieck der Gang auf die Oppositionsbank. Ende des Jahres legte er auch sein Bürgerschaftsmandat nieder. Seit gestern steht Vahldieck wieder in der ersten Reihe - und wieder ist seine Verweildauer im Rampenlicht absehbar.

An der Seite von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) stellte der 56-Jährige gestern seine Ideen für die politische Aufarbeitung der Neonazi-Morde vor. Als Mitglied einer vierköpfigen Bund-Länder-Kommission soll auch er Erkenntnisse aus den Ermittlungsfehlern rund um die Zwickauer Neonazi-Zelle auswerten und mit seinen Mitstreitern Vorschläge erarbeiten. Einig ist sich die Runde bereits in einem Punkt: Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern muss besser werden. Nur wie?

Neben Vahldieck wurde von der Länderseite der frühere Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ins Gremium berufen, der Bund nominierte den Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller, der auch Vorsitzender der Münchener Juristischen Gesellschaft ist, und den früheren Bundesanwalt Bruno Jost. Zu viert gehen sie nun auf die Suche nach Verantwortlichkeiten, möglichen Schuldigen und möglichen Auswegen aus einer Ratlosigkeit, in der der Staat seit Bekanntwerden der über Jahre unentdeckten Morde der Zwickauer Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund feststeckt. Das Wissen um die politischen Hintergründe für die Tötungen der neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin ist erst einige Wochen alt. Die Spur der Taten zieht sich durch das gesamte Bundesgebiet.

Während gestern die Kommission im Bundesinnenministerium zu ihrer ersten Sitzung zusammenkam und sich auftrug, erst einmal auf einen gemeinsamen Wissensstand zu kommen, nimmt heute der Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags mit seiner ersten regulären Sitzung seine Arbeit auf. Der Ausschuss will sich zunächst auf die Ermittlerarbeit des Bundes fokussieren und über Zeugen und Sachverständige Beweise sammeln. Die Kommission muss ohne derartige Rechte auskommen. Sie kann aber beispielsweise auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses im thüringischen Landtag zurückgreifen.

+++ Kommentar: Bitte keinen Wahlkampf +++

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl mahnte, der Untersuchungsausschuss und die Bund-Länder-Kommission sollten sich "nicht in Kompetenzstreitigkeiten verheddern". Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sagte, eine mögliche Arbeitsteilung könne etwa so aussehen, dass die Kommission Länderakten einsehen und dann dem Ausschuss berichten werde. In allen Gremien hieß es einstimmig: Einen Wettlauf um Zeugen und Akten soll es nicht geben.

Ex-Innensenator Vahldieck zeigte sich im Gespräch mit dem Abendblatt zuversichtlich, im Gremium zügig zu Ergebnissen zu kommen. "Wir sollten anstreben, innerhalb eines Jahres unsere Arbeit abzuschließen. Ich denke, das ist ein realistischer Zeitraum." Vahldieck sieht seine Rolle in der Vierer-Gruppe nicht nur als die eines ehemals Verantwortlichen in der Innenpolitik. Er will auch seine Erfahrung als langjähriger Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz für die neue Aufgabe nutzen. "Es ist sinnvoll, wenn jemand das Innenleben der nachrichtendienstlichen Szene kennt und seine Expertise einbringen kann", sagte er. Er werde die Rolle des Verfassungsschutzes aber nicht schönreden, stellte er zugleich klar. Er wolle mithelfen, die Schwachstellen des Verfassungsschutzes aufzuzeigen und ihn wieder unbelastet arbeiten zu lassen.

Bei der Ausarbeitung der möglichen Konsequenzen für die deutschen Sicherheitsbehörden gebe es "keine Schere im Kopf", betonte der CDU-Politiker. "Die Erfahrung hat uns aber gelehrt, dass die föderale Struktur und unsere Sicherheitsarchitektur sich generell bewährt haben." Vahldieck empfahl aber auch, aus der Vergangenheit zu lernen. "Die Schlussfolgerungen aus den islamistischen Terrorangriffen können auch Vorbild für Konsequenzen aus den Neonazi-Morden sein. Wir haben seinerzeit ein gemeinsames Terrorismus-Abwehrzentrum und gemeinsame Verbunddateien geschaffen."

Dass seine Expertengruppe möglicherweise an einem NPD-Verbotsverfahren mitwirken könne, schloss Vahldieck klar aus. Es könne nicht Ziel der Kommission sein, Argumente für ein NPD-Verbot zu sammeln. "Das muss Aufgabe von Bund oder Ländern sein."