Aufklärung der Neonazi-Morde erfordert Besonnenheit

Das kommt heraus, wenn es die Politik mit einem Thema richtig ernst meint. Öffentlichkeitswirksam installiert sie einerseits Aufklärungsgremien - Sonderermittler und Untersuchungsausschüsse - in den Ländern und im Bund. Aber weil der deutsche Föderalismus andererseits die Politik zwingt, autarke Organe unabhängig voneinander arbeiten zu lassen, sucht sie ihr Glück auch noch in einer Bund-Länder-Kommissionsgründung. "Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis", dürfen Zyniker jetzt gern spotten.

Es stimmt, die gestern gegründete Kommission zur Aufklärung der Neonazi-Mordserie muss mit einem Geburtsfehler leben. Sie besitzt keine rechtlichen Grundlagen, um Zeugen und Sachverständige vorzuladen, soll aber in der Lage sein, Hintergründe aufzuklären und bitte auch noch die Schwachstellen der bisherigen Aufklärungsarbeit zu benennen. Sie ist damit auf den Kooperationswillen aller Beteiligten angewiesen. Ihre Macht wird sie allein aus der Mithilfe der Behörden erzielen. Sollte sich eine Bundesbehörde oder ein Landesverfassungsschutzamt den Anfragen der Kommission entziehen, wäre der politische Skandal perfekt. Der Druck, den die Kommission ausüben kann, ist nicht juristisch, dafür moralisch begründet. Gut möglich, dass sie am Ende mehr bewegen kann, als ihr heute zugetraut wird. Ihr gehört ein Kenner der bundesanwaltschaftlichen Arbeit genauso an wie mit dem Hamburger Heino Vahldieck ein Verfassungsschutzexperte. Das Gremium weiß auch, was politisch an Vorschlägen überhaupt umsetzbar ist.

Vielleicht hat diese Kommission am Ende doch viel mehr zu sagen als eine Gruppe von Parlamentariern von fünf Parteien, die am Ende eines Untersuchungsausschusses um eine gemeinsame Analyse ringt. Im kommenden Jahr wollen die Gremien ihre Berichte vorlegen. Es wäre bitter, wenn aus ernst gemeinter Aufklärungsarbeit Schlüsse gezogen werden, die parteipolitischen Wahlkampfzwecken dienen. Der Verdacht liegt heute nahe, dass die dann nahende Bundestagswahl eine besonnene Debatte um den richtigen Weg gegen die rechte Gefahr verhindert.